"Als sei eine Dachlawine abgegangen"

Ein Wildschwein stürzt in den Garten von Josef und Else Meyer und muss erschossen werden - Mit Tieren verbinden die Eheleute aus Oberdollendorf zahlreiche Erlebnisse und jahrelange Erfahrungen

  Armes Schwein:  Beim Blick aus dem Schlafzimmerfenster entdeckt Else Meyer den verunglückten Schwarzkittel.

Armes Schwein: Beim Blick aus dem Schlafzimmerfenster entdeckt Else Meyer den verunglückten Schwarzkittel.

Foto: Josef Meyer

Oberdollendorf. Mit Pflanzen und Tieren sind Else und Josef Meyer ja so einiges gewohnt. So zogen sie vor vielen Jahren ein Hängebauchschwein groß, das überregional Schlagzeilen machte, ihr idyllischer Garten wurde als Orchideenparadies und mannigfaltiges Biotop bekannt, und hinter ihrem Haus nahe dem Waldfriedhof sagten sich buchstäblich Fuchs und Hase gute Nacht. Was den Eheleuten am Wochenende widerfuhr, ließ jedoch auch den passionierten Naturfreunden den Schrecken in die Glieder fahren.

"Es war am frühen Samstagnachmittag", erinnert sich Josef Meyer. Er und seine Frau hielten sich in ihrer neuen Wohnung an der Ferdinand-Schmitz-Straße auf; vor einem halben Jahr waren sie aus ihrem großen Haus am Waldrand in den dritten Stock eines der Terrassenhäuser umgezogen. "Plötzlich gab es ein Geräusch, als sei eine Dachlawine abgegangen", beschreibt Meyer die Situation, die von "einer Art Aufschrei" begleitet wurde.

"Ich ging auf den Balkon, weil ich dachte, auf der Straße sei etwas passiert. Meine Frau schaute aus dem Schlafzimmerfenster." Was Else Meyer sah, verschlug ihr die Sprache: In dem winzigen Garten hockte ein Wildschwein, nicht ganz ausgewachsen, etwa einen Zentner schwer. Offenbar war es von der steilen Treppe, die die Etagen der Terrassenhäuser verbindet, knapp drei Meter in den Garten der Meyers hinabgestürzt und hatte sich dabei verletzt.

"Das Schwein war in Panik, konnte sich aber nicht mehr fortbewegen und zog das gesamte Hinterteil nach sich", berichten die beiden Ruheständler. Else Meyer sprach beruhigend auf den Schwarzkittel ein und warf ihm einige Hundekuchen hin. "Ich vermute", erklärt sich ihr Mann den "Unfallhergang", "dass die Sau oberhalb unserer Häuser aus dem Wald getreten ist und dann die Treppe hinunterlief. Möglicherweise wurde sie aufgeschreckt und sprang kurzerhand in unseren Garten."

Dort hockte das Wildschwein auch noch, als zwei verdutzte Polizisten eintrafen, die Meyer alarmiert hatte. Die ratlosen Beamten zogen Jagdpächter Hermann-Josef Zander hinzu, der mit seiner Büchse anrückte und das Schwein mit zwei gezielten Schüssen von seinen Qualen erlöste.

Er habe schon einiges erlebt, doch in den dritten Stock sei er zur Sauenjagd noch nicht gerufen worden, sagte der erfahrene Waidmann. Spätestens, als die Schüsse durch die Siedlung hallten, verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer und sorgte in der Nachbarschaft auch am Montag noch für reichlich Gesprächsstoff.

Für Else und Josef Meyer reiht sich das Erlebnis in eine langjährige Erfahrung mit den heimischen Tieren. Sie haben es dem Ehepaar angetan, seitdem es 1969 das 1937 von einem Bergwerksdirektor gebaute Haus nahe dem Oberdollendorfer Waldfriedhof gekauft hatte. Tagaus, tagein ließen sich die verschiedenen Waldbewohner auf dem idyllischen Grundstück blicken, das nun eine Familie bewohnt.

"Man glaubt ja kaum", sagt Else Meyer, "welche Artenvielfalt im Siebengebirge herrscht." Vom Waschbär und Dachs bis hin zu Libellen und Hornissen hat sie manches Exemplar beobachten können. Unter dem Titel "Der Sommer mit Schnuffi" veröffentlichte sie 1995 ihre Erlebnisse mit besagtem Hängebauchschwein. "Ursprünglich wollte ich Förster werden", sagt Josef Meyer. Weil jedoch sein Bruder in Stalingrad fiel, musste er den elterlichen Betrieb übernehmen. Die Natur blieb ihm ein Herzensanliegen.

Das sprach sich offenbar auch beim Wild herum: "Wenn in der Nähe zur Treibjagd geblasen wurde, versammelten sich die Tiere in unserem Garten", erinnert sich Else Meyer. "Doch dass sie uns auch nach dem Umzug folgen würden, hätten wir wirklich nicht gedacht", lacht sie. Der Vorfall am Wochenende dürfte indes wohl doch eher ein Unfall denn ein Fluchtversuch gewesen sein. Eine Treibjagd hat am Samstag in Dollendorf nicht stattgefunden.

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