Ahrweiler Staatsanwalt lässt Zeugen im Gerichtssaal verhaften

Vorwurf lautet Falschaussage und versuchte Strafvereitelung - Angeklagter kommt glimpflich davon

Ahrweiler. Die Festnahme eines Zeugen im Gerichtssaal. Ein Angeklagter in Handschellen. Er wird wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes zu einer Haftstrafe von 28 Monaten verurteilt und verlässt dennoch das Gericht als freier Mann. Spannender hätte der Anschauungsunterricht für Schüler im Ahrweiler Schöffengericht kaum sein können.

Die Tat, wegen der sich ein 24-jähriger Kreisstädter verantworten musste, liegt bereits mehr als drei Jahre zurück. Gemeinsam mit einem heute 19-jährigen Komplizen soll er in Bad Breisig einen heute 23-jährigen Dealer aufgesucht haben, um ein paar Gramm Haschisch zu kaufen. In der Wohnung sei man sich jedoch nicht handelseinig geworden. Darauf hin hätten sich die beiden Besucher spontan entschlossen, dass Haschisch von der Größe "einer halben Tafel Schokolade" gleich ganz und ohne Bezahlung an sich zu nehmen.

Als der Versuch, es in einem Rucksack aus der Wohnung zu schmuggeln misslungen war, griff einer der beiden zu einem auf dem Tisch liegenden Messer. Damit erpressten der Angeklagte und sein Begleiter die Herausgabe des Rucksacks. Aufgeflogen war die Tat erst drei Jahre später, weil der mutmaßliche Dealer einen Dritten beauftragt haben soll, bei dem 19-Jährigen Schadenersatz einzutreiben.

Daraufhin hatte der 19-Jährige die Polizei eingeschaltet und fand sich im Juli 2008 wegen des Vorwurfs der schweren räuberischen Erpressung selbst auf der Anklagebank wieder. Die Tat in Bad Breisig hatte er eingeräumt. Sein Komplize habe den Dealer mit dem Messer bedroht, während er ihn festgehalten habe. Der 24-Jährige war in diesem Verfahren als Zeuge aufgetreten, und hatte angegeben, von Diebstahl und Erpressung "nichts bemerkt zu haben". Daraufhin ließ die Staatsanwaltschaft ihn wegen Falschaussage noch im Gerichtssaal festnehmen.

Noch am selben Tag legte der 24-Jährige ein Geständnis ab. Er sei seinerzeit die treibende Kraft gewesen, und habe das damalige Opfer mit dem Messer bedroht. Das Geständnis wiederholte er am Donnerstag. Diesmal trat das damalige Opfer als Zeuge auf, und diesmal war er es, den Staatsanwalt Christopher do Paco Quesado wegen Falschaussage und versuchter Strafvereitelung festnehmen ließ. Denn der 23-Jährige hatte behauptet, der 19-Jährige sei damals in seiner Wohnung "ausgeflippt", während sich der Angeklagte "weitgehend passiv verhalten" habe.

Auf die Frage, was ihm seinerzeit gestohlen worden sei, gab der 23-Jährige an: "Mein gesamtes Lehrlingsgehalt in Höhe von 700 Euro." Von gestohlenem Haschisch wollte er nichts wissen. Für den geständigen Angeklagten forderte der Staatsanwalt - unter Berücksichtigung einer noch offenen Bewährungsstrafe von sechs Monaten - eine Haftstrafe von insgesamt zwei Jahren und vier Monaten. Dem folgte das Gericht, hob den bestehenden Haftbefehl jedoch auf.

Da ihm die Untersuchungshaft von vier Monaten angerechnet werde, liege seine zu verbüßende Strafe bei zwei Jahren, so dass er nach Hause gehen könne. Bedingung: Der Angeklagte muss sich umgehend um eine Drogentherapie bemühen. Absolviere er diese erfolgreich, könne die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt werden. "Damit haben Sie eine Perspektive, die wir Ihnen bewusst geben. Denn mit einer neuen Ausbildung haben Sie gezeigt, dass Sie wieder Fuß gefasst haben", begründete Richter Jan Fante das ungewöhnliche Urteil.

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