100 Tage im Amt So macht sich Cornelia Weigand als Bürgermeisterin von Altenahr

Altenahr · Cornelia Weigand ist nun 100 Tage im Amt als Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Altenahr. Dass die 48-Jährige die Bürgermeisterwahl in der eher von konservativen Mächten geprägten Verbandsgemeinde gewann, kam für viele überraschend.

 Ist in ihrem Amt angekommen: Cornelia Weigand, Bürgermeisterin der VG Altenahr.

Ist in ihrem Amt angekommen: Cornelia Weigand, Bürgermeisterin der VG Altenahr.

Foto: Martin Gausmann

100 Tage ist sie nun im Amt, die "neue" Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Altenahr, Cornelia Weigand. Anfang Juli zog die bis dahin mit Kommunalpolitik kaum in Berührung gekommene parteilose Naturwissenschaftlerin in das bislang von der CDU dominierte Rathaus ein - und fühlt sich sichtlich wohl. Offen, sympathisch und ohne erkennbare Vorbehalte sei sie von den Verwaltungsmitarbeitern aufgenommen worden. Und auf dem oftmals von rheinischer Jovialität geprägten glitschigen kommunalpolitischem Parkett sei sie als auf Sylt geborene kühle Norddeutsche bislang auch noch nicht ausgerutscht, versichert sie. Das soll so bleiben.

Dass die 48-Jährige - als krasse Außenseiterin ins Rennen gegangene - die Bürgermeisterwahl in der eher von konservativen Mächten geprägten Verbandsgemeinde gewann, kam für viele überraschend. Erst recht, mit welchem beeindruckendem Ergebnis: Mit mehr als 60 Prozent der Stimmen ließ sie ihren CDU-Kontrahenten weit hinter sich. "Viele wünschen sich wohl einen neutralen Gegenpol zu den bislang etablierten Kräften in Rat und Rathaus", meint sie zu der Auffälligkeit, dass Vertreter der etablierten Parteien gegen unabhängige Kandidaten inzwischen oftmals das Nachsehen haben. Siehe Remagen, Bad Breisig oder Sinzig. Auch dort setzten sich von der Kommunalpolitik völlig unbeleckte Bewerber durch.

Mit der Mentalität der Menschen in der rund 11 000 Einwohner zählenden Verbandsgemeinde habe sie keine Probleme, versichert die diplomierte Biologin. Zum einen wohne sie bereits seit längerem in Altenahr und sei somit mit rheinischem Frohsinn und Lebensart in einem Landstrich, in dem die Feierfreude, die Redelust und Spontaneität ungebremst ausgelebt werden, in dem es "Kappes", "Knies" und "Klüngel" gibt, der Herrgott zum "Herrjöttsche", und das Verwarngeld zum "Knöllchen" wird, durchaus vertraut.

Zum anderen sei sie losgelöst und unbeeindruckt davon sehr sachorientiert und lasse sich von rationalem Denken leiten. Außerdem, so versichert sie, habe sie ein Gespür für Menschen. Schnell blicke sie hinter die Fassaden.

"Ich komme von außen und muss sicherlich noch einiges dazulernen", sagt die Verbandsbürgermeisterin. Der Herausforderung stelle sie sich aber gerne. Da, wo es fachlich und bei rechtlichen Rahmenbedingungen noch etwas hakelt, könne sie auf die Kompetenz ihrer 45 Mitarbeiter im Rathaus zurückgreifen, die ihre neue Chefin mit großem Wohlwollen aufgenommen hätten: "Das hätte ich mir nicht besser wünschen können." Täglich sehe und spüre sie, "was hier im Rathaus alles gemacht wird und mit wieviel Engagement die Aufgaben von der Belegschaft in Angriff genommen werden". Einen "Welpenschutz" in den ersten Wochen ihrer Amtszeit habe es in der Altenahrer Kommunalpolitik nicht gegeben. Im Gegenteil. Von Anfang an sei ihr klar gewesen, dass "hier jeder versucht, seine Vorstellungen durchzudrücken". Dass nicht allen Anliegen Rechnung getragen werden könne, verstehe sich von selbst.

Ihr Berufsleben als Naturwissenschaftlerin startete Weigand bei einem großen Softwarehaus als Application Developer in Bonn. Von dort zog sie an den Bodensee, arbeitete im Fürstentum Liechtenstein als Global Product Manager in der Dental-, im Remstal in der Medizinindustrie. Ihre Aufgabe: Produktmanagement. "Mit Stolz blicke ich auf diese Zeit zurück", schrieb sie auf ihrer Homepage im Wahlkampf. "Führung mit Vertrauen und Verantwortung waren eine Erfolgsgeschichte. 80 neue Produkte, Etablierung einer neuen Marke, von Null auf ein Drittel des Gesamtumsatzes in nur vier Jahren." Der Liebe wegen zog sie ins Ahrtal, nahm in Bonn im naturwissenschaftlichen Dienst einer Landesbehörde wieder im Bereich der Medizinproduktezulassung eine neue Tätigkeit auf. Inzwischen ist aus dem Application Developer und Global Product Manager die Bürgermeisterin der mit zwölf Ortsgemeinden ausgestatteten Verbandsgemeinde Altenahr geworden, in der gerade mal 70 Menschen auf einem Quadratkilometer leben.

Die Herausforderungen sind groß: Die Nahversorgung muss dringend verbessert werden, es gibt im 154 Quadratkilometer großen Gemeindegebiet keinen einzigen Vollsortimenter, fast alle Tante-Emma-Läden sind längst verschwunden. Sieht man von einem einzigen Discounter zwischen Altenahr und Ahrbrück einmal ab, so gibt es so gut wie keine nennenswerte Einkaufsmöglichkeit. Die Digitalisierung muss weiter ausgebaut werden, die ärztliche Versorgung wird mittelfristig ein großes Thema sein, ebenso die Schaffung von Bauland, um einer drohenden Bevölkerungsflucht vom Land in die Städte zu begegnen. Die für die Verbandsgemeinde so wichtige Tourismuswirtschaft bedarf dringend neuer Impulse und Vermarktungen, die Ausweisung neuer Gewerbegebiete in den Ortsgemeinden werden die Kommunalpolitik zudem beschäftigen. Und nicht zuletzt wird es Handlungsbedarf geben, wenn es um das facettenreiche Problemfeld "Älter werden in der Verbandsgemeinde" geht.

Cornelia Weigand hat nach eigenem Bekunden keine Angst vor diesen - auch ihr Rathaus betreffenden - Themen: "Gemeinsam wollen und werden wir vorankommen." In ihrem Amt scheint sie angekommen zu sein.

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