Justus Frantz in der Remagener Rheinhalle Von Schwächung kaum eine Spur

REMAGEN · Fast hätte Justus Frantz das Konzert abgesagt. Weil er gerade erst aus dem Krankenhaus gekommen sei, wie er unter mitleidigem Raunen der knapp 200 Zuschauer im Foyer der Remagener Rheinhalle bekannte. Der Pianist, Dirigent und Intendant begeisterte die Musikfreunde.

 Justus Frantz, gerade am Fuß operiert, konzertierte in der Remagener Rheinhalle.

Justus Frantz, gerade am Fuß operiert, konzertierte in der Remagener Rheinhalle.

Foto: Gausmann

Wer genau hinschaute, sah am Gang und an der weiten Schnürung seines eines Schuhs, dass Probleme mit dem rechten Fuß der Grund waren. „Aber es geht mir eigentlich schon wieder ganz gut“, sagte der Pianist, Dirigent und Gründer und ehemalige Intendant des Schleswig-Holstein-Musikfestivals. Er schien spontan zu entscheiden und unabhängig von einem früher vorgesehenen Programm Stücke zu wählen, die ihm auch ob des kranken Fußes leicht von der Hand gingen: Werke von Wolfgang Amadeus Mozart, Frederic Chopin und Ludwig van Beethoven.

Erst mal räumte der Maestro das Notenbrett aus dem Flügel, denn Noten brauchte er nicht bei diesem Konzert. Dann kündigte er eine Sonate an, „die eine große Besonderheit ist, denn hier hat Mozart zwei große Sonatensätze gegeneinander aufgetürmt: den ersten und den letzten Satz. Und zeigt ein kompositorisches Können, dass man sich in der Zeit gar nicht vorstellen konnte.“ Frantz schonte sich nicht. Und nur am Anfang des Konzerts ließ er den Musiklehrer aufblitzen, als der er auch im TV etwa mit „Achtung, Klassik!“ so bekannt geworden war.

Auch seine Entertainerqualitäten blieben diesmal eher im Hintergrund. Er redete weniger als sonst bei seinen Auftritten. Dafür war es mehr die Musik, die er sprechen ließ, und das mit zunehmender Leidenschaft und Hingabe. Als „etwas sperrige, aber eine der schönsten Sonaten, die Mozart uns geschenkt hat“, hatte er die F-Dur-Sonate angekündigt, und etwas sperrig kam sie zuweilen auch daher. Sprunghaft wirkte sie zunächst, mit nur kurzen kantablen Partien und einschneidenden Forteschlägen. Von Beginn an in hohem Tempo ging er die Themenvielfalt im ersten Satz an, ließ auch im weiteren Verlauf nur wenig Raum für Träumereien, trumpfte energisch auf und bewältigte geradezu eine Tour de Force für einen Pianisten mit äußerlicher Gelassenheit.

Seine Finger wirbelten schier mühelos über die Tasten. Technische Perfektion traf auf Souveränität und routinierte Realisationen. Mehr noch das Gefühl sprachen Frantz’ Chopin-Etüden an. Sanftes Züngeln und Locken hier, ausnehmende Klarheit dort, ein weicher Anschlag, rauschende Arpeggien und verheißungsvolle Leidenschaft, auch dramatische Züge. Kaum war der letzte Akkord angeschlagen, fiel das Publikum mit begeistertem Applaus ein.

Eine weitere Nuance brachte Frantz mit Mozarts A-Dur-Sonate, KV 331, ins Spiel, die er als „Klangsonate“ bezeichnete. Eleganz, Anmut und Erhabenheit im Ausdruck, reizvolle Wendungen, Resolutheit und Eindringlichkeit. Die Zuhörer ließen sich gefangen nehmen von den thematischen Variationen des ersten und dem orientalisch anmutenden berühmten „alla turca“ des dritten Satzes. „Jetzt muss ich ihnen ja noch etwas spielen“, sagte der Pianist ob der Reaktionen der Zuhörer und stimmte das Finale aus Beethovens achter Klaviersonate „Pathétique“ an. Damit schuf er einen perfekten Übergang zum zweiten Teil des Abends: Beethovens 23. Sonate “Appassionata“.

Schon die Ankündigung hatte das Publikum zum zweiten Raunen an diesem Abend gebracht. Die Ausführung nahm nach der Pause unmittelbar wieder gefangen und schlug ob des Temperaments, der Farbenpracht und expressiver Virtuosität bis zum Ende in ihren Bann, so brausend und berauschend intonierte Frantz. Mit Bravo-Rufen bedankte sich das Publikum, und der Pianist ließ sich noch zu zwei weiteren Chopin-Etüden als Zugabe hinreißen. Von Schwächung durch Krankheit war bei Frantz wenige Tage vor seinem 72. Geburtstag am 18. Mai keine Spur zu bemerken. Ein Konzert, das viele Musikfreunde erfüllt in die Nacht entließ.

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