Interview mit Herbert Georgi Remagens Bürgermeister über die Perspektiven der Stadt

REMAGEN · Lange ist es noch nicht her, da musste die Stadt Remagen einen Kredit bei den eigenen Stadtwerken aufnehmen, um überhaupt Löhne und Gehälter zahlen zu können. Inzwischen ist ein gesunder Konsolidierungsprozess eingeleitet, die Stadt hat wieder gute Perspektiven.

 Herbert Georgi im Gespräch: In Remagen gibt es Offenheit und Begeisterungsfähigkeit.

Herbert Georgi im Gespräch: In Remagen gibt es Offenheit und Begeisterungsfähigkeit.

Foto: Martin Gausmann

Im Gespräch mit dem General-Anzeiger äußert sich Bürgermeister Herbert Georgi (CDU) über Gegenwart und Zukunft der Römerstadt, über Wünsche und besondere Problemstellungen.

Nehmen wir mal an, als Bürgermeister der Stadt Remagen spielten Sie Lotto und gewännen einen Jackpot von 21 Millionen Euro. Was würden Sie mit dem Geld machen?
Herbert Georgi: Sie unterstellen also, dass ich mit städtischem Geld Lotto spiele. Das ist noch unwahrscheinlicher als den Jackpot zu knacken. Aber ich will kein Spielverderber sein. Mit dem Gewinn würde ich die Stadt komplett entschulden und gleichzeitig hoffen, dass ich nach dem anschließenden Disziplinarverfahren noch Bürgermeister von Remagen bin.

Gäbe es keine Vorfälligkeitskosten, so wären dann in der Tat alle langfristigen Verbindlichkeiten Ihrer Stadt getilgt. Wie kommen Sie ohne Lottospiel von den Schulden runter?
Georgi: Kurzfristig überhaupt nicht. Wir werden auch nicht jedes Jahr fast eine Million Euro zusätzlich tilgen können, so wie das in den vergangenen zwölf Monaten gelungen ist. Aber wir haben schon seit Jahren einen positiven Trend. Unsere Schulden wachsen nicht, sondern nehmen ab. Das können nicht viele Kommunen in Rheinland-Pfalz von sich behaupten.

Da gibt es ja noch das für Kommunen immer größer werdende Problem der Kassenkredite, mit denen die Liquidität der Kommunen gewährleistet werden soll. Zum Teil werden Personalkosten und andere laufende Ausgaben auf Pump bezahlt, weil zahlreiche Städte und Gemeinden die Kosten aus eigener Ertragskraft heraus nicht mehr begleichen können. Ihre Nachbarstadt Bad Breisig kann ein Liedchen davon singen. Wie schlimm ist die Situation in Remagen?
Georgi: Wir sind in der Lage, unsere laufenden Ausgaben aus den Einnahmen zu begleichen. Wir haben also kein strukturelles Defizit, sondern im Moment Überschüsse, die Jahr für Jahr dem Kapitalstock zugute kommen. Zu Beginn meiner Amtszeit war das noch anders. Im Oktober 2004 konnten wir unsere Gehälter nur mit Hilfe eines Kredits der Stadtwerke bezahlen, da unser Kontokorrentkredit bei den Banken ausgeschöpft war. Im vergangenen Jahr hingegen ergab sich erstmals die komfortable Situation, dass auf unserem Girokonto über eine Million Euro nicht benötigt wurden und vorübergehend in Festgeld umgewandelt werden konnten.

Was muss geschehen, um kommunale Finanzen wieder in ein solides Fahrwasser zurückzuführen? Einsparpotenziale sind in der Regel längst erschöpft, die Einnahmen aus Gewerbe- und Grundsteuer sowie aus dem Anteil an der Einkommensteuer werden alleine schon von den Personalkosten und den abzuführenden Umlagen aufgefressen. Es bleibt keine Luft zum Atmen. Was erwarten Sie von Bund und Land?
Georgi: So alt wie das Grundgesetz ist die Verfahrensregelung für die Lastenverteilung von Bund, Ländern und Gemeinden: "Die Ausgaben folgen den Aufgaben". Wer also den Kommunen von oben zusätzliche Aufgaben aufbürdet, muss auch die sich daraus ergebenden Zusatzbelastungen tragen. In der Praxis funktioniert das schon lange nicht mehr. Ein Beispiel ist die Schaffung zusätzlicher Kindergartenplätze zur Verwirklichung des bundesweit geltenden Anspruchs der ein- und zweijährigen Kinder. Die Kreisfreie Stadt Neustadt/Weinstraße und der Kreis Birkenfeld bereiten in diesem Zusammenhang eine Klage gegen das Land Rheinland-Pfalz vor.

Auch Remagen wird von der demografischen Entwicklung nicht verschont bleiben. Immer weniger Menschen müssen immer mehr bezahlen. Auch im kommunalen Bereich. Wird es einen Rückbau der Infrastruktur geben? Wo wird Remagen in 30 Jahren stehen?
Georgi: Remagen in seiner verkehrsgünstigen Lage im Dunstkreis der Städte Koblenz, Köln und Bonn wird nicht in dem Maße Einwohner verlieren wie die Gemeinden im ländlichen Raum. In den nächsten zehn Jahren wird unsere Einwohnerzahl wohl auf demselben Level bleiben wie heute. Darüber hinaus zu schauen, ist ohnehin schwierig bis unmöglich. Was sich aber mit Sicherheit ändern wird, ist unsere Einwohnerstruktur. Der Anteil der Senioren wird immer größer. Daraus erwachsen andere Anforderungen für die Infrastruktur in der Stadt. Wir sind derzeit mit verschiedenen Instituten im Gespräch, um die voraussichtliche Entwicklung auf diesem Sektor wissenschaftlich aufarbeiten zu lassen.

Wie wird sich der Einzelhandel in Ihrer Stadt Ihrer Meinung nach entwickeln? Die meisten Kundenkontakte hat der Handel längst in den Subzentren auf der grünen Wiese. Haben Sie Angst vor einer Verödung der Innenstadt?
Georgi: Die Situation in unserer Innenstadt hat sich trotz der Einrichtung von drei Märkten in 700 Metern Entfernung vom Stadtkern in den letzten Jahren nicht verschlechtert. Die Leerstandsquote ist ständig nach unten gegangen. Es waren und sind aber große Anstrengungen unserer Werbegemeinschaft "Remagen mag ich" und der städtischen Wirtschaftsförderung nötig, um diese Balance zu erhalten. "Von nix kütt nix" und Stillstand bedeutet auf diesem Gebiet Rückschritt.

Nun hat sich Remagen als "Stadt der Kunst" etabliert. Rund um das Rathaus gibt es zahlreiche Galerien und Kunstwerkstätten. Sicherlich macht die Kunstszene die Stadt attraktiv. Aber geht wirklich Wertschöpfung von ihr aus? Werden in Wahrheit nicht Ladenlokal-Leerstände kaschiert?
Georgi: Wenn wir von Wertschöpfung in der Innenstadt reden, dann sprechen wir doch nicht in erster Linie von Wertschöpfung im finanziellen Sinn. Zugegeben, jeder, der in der Stadt ein Ladenlokal eröffnet, will auf seine Kosten kommen. Beim Einzelhändler sind das wirtschaftliche Gesichtspunkte, bei unseren Künstlern sind das sicher nicht in erster Linie finanzielle Überlegungen. Auch aus Sicht der Stadt ist die finanzielle Wertschöpfung im Zentrum nicht der wichtigste Gesichtspunkt. Wir wollen eine lebendige Innenstadt mit vielen Facetten. Wir wollen eine Innenstadt, die Treffpunkt für die Bürger und auch Ort der Kommunikation ist. Dazu gehört die Möglichkeit, den täglichen Bedarf beim Einzelhändler zu decken, ebenso wie die Eckkneipe und auch die Kunstgalerien als Anziehungspunkt für Leute aus der Stadt und der Umgebung, aber auch als Attraktion für Touristen. Insoweit sind die Künstler in Remagen für die City nicht bare Münze, aber trotzdem Gold wert.

Welche Rolle spielt die Fachhochschule für Ihre Stadt? Gehen Impulse von ihr aus? Bringt sie Kaufkraft in die Stadt?
Georgi: Wir profitieren seit Jahren in vielfältiger Weise von der Zusammenarbeit mit der Fachhochschule, sei es über gemeinsame Arbeitstreffen zur Stadtentwicklung oder auch über Kooperationsmodelle mit Remagener Firmen. Was die Impulse für die Stadt anbetrifft, so sind diese zwar überschaubar, aber seit Jahren eine feste Größe, die uns auch gut tut. Wir schätzen, dass etwa zehn Prozent der Studenten hier für einige Jahre ihren Wohnsitz nehmen, das sind rund 300 Studenten - mit steigender Tendenz. Diejenigen, die da sind, werden auch aktiv. So haben die Studenten im vergangenen Jahr in Eigeninitiative im Zentrum eine Studentenkneipe eingerichtet. Im Alten Evangelischen Gemeindezentrum sind neue Studentenwohnungen entstanden. Das ist alles positiv, aber der Rhein-Ahr-Campus ist nun einmal eine Hochschule mit regionalem Einzugsbereich. Das bedeutet, dass die überwiegende Masse der Studenten aus Pendlern besteht.

Ein weiterer Leuchtturm für Remagen dürfte das Arp Museum sein. Für 33 Millionen Euro wurde es aus Steuermitteln gebaut, jährlich zieht es rund 60.000 Besucher an. Kommen diese Besucher auch mal in die Stadt und lassen dort Geld?
Georgi: Soweit die Besucher aus weiterer Entfernung anreisen, dürfte das nach allgemeiner Erfahrung nicht der Fall sein. Tagestouristen steuern in der Regel nur ein Ziel an. Anders ist das bei den vielen Besuchern beispielsweise aus Bonn und Köln, die häufiger kommen. Die sind irgendwann auch einmal neugierig auf das Skulpturenufer und die Remagener Rheinpromenade. Das Arp Museum macht übrigens fleißig Werbung für unsere Innenstadt und die dortigen Galerien.

Welche Rolle spielt der Tourismus in Ihrer Stadt? Reichen die Hotel- und Campingplatzkapazitäten aus? Oder liegt der Akzent auf dem Tagestourismus?
Georgi: Wir haben immer mehr Tagestouristen in der Stadt. Es gibt ja hier auf engem Raum mit Rheinpromenade, Apollinariskirche, Historischem Dreieck oder Römischem Museum auch eine Menge zu sehen. Meines Wissens reichen die Campingplatzkapazitäten aus. Dagegen fehlt uns ein Hotel der gehobenen Klasse. Dafür ist nach wie vor ein Gelände an der Brücke von Remagen reserviert. Seit zwei Jahren arbeitet ein Projektentwickler an Plänen für ein Vier-Sterne-Hotel. Die Pläne wurden bereits im Bau-, Verkehrs- und Umweltausschuss vorgestellt und für gut befunden. Das Planungsverfahren könnte im Dezember abgeschlossen werden. Das wäre ein erster Schritt. Wesentlich schwieriger dürfte es aber anschließend sein, einen Betreiber und Investor für das Projekt zu gewinnen.

In der jüngeren Vergangenheit geistert in zahlreichen Kommunen an Rhein und Ahr das Thema "Windkraft" durch die Stadtgemäuer. Ist das auch bei Ihnen ein Thema? Würden Sie wirklich die Höhenzüge Ihrer Stadt mit Windrädern verschandeln wollen?
Georgi: Auf das, was wir wollen oder nicht wollen, wird es nach heutigen Erkenntnissen bei diesem Thema überhaupt nicht ankommen. Es gibt nur eine kleine Fläche im Bereich des Scheidkopfs, die sich in punkto Windgeschwindigkeit und Abstandsflächen zur Wohnbebauung für Windräder eignen würde. Just auf diesen Flächen überschneiden sich mehrere Schutzzonen von Rotmilanhorsten und Uhunestern. Das bedeutet nach heutiger Rechtslage: striktes Verbot für Windräder.

Was ist Ihrer Meinung nach das liebenswerteste an Remagen?
Georgi: Die Offenheit und Begeisterungsfähigkeit vieler Menschen. Gepaart mit rheinischer Gelassenheit ergibt das ein Klima, in dem es sich gut leben lässt.

Hätten Sie einen Wunsch frei: Wie würde er lauten?
Georgi: Wir haben in der Stadt ein gutes Miteinander von Ehrenamtlern, Gewerbetreibenden und der Stadtverwaltung. Davon profitiert Remagen seit Jahren. Mein Wunsch ist es, dass wir diesen guten Geist untereinander noch lange erhalten können.

Herbert Georgi

Herbert Georgi (CDU) ist 59 Jahre alt. Er ist verheiratet und ist Vater von zwei Söhnen (18 und 19 Jahre). Seine Hobbys sind die Bürgerstiftung Remagen, Kochen, Rennradfahren und Kriminalromane. Seit August 2002 ist er Bürgermeister der Stadt Remagen.

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