Kabarettist Wilfried Schmickler gastierte in Remagen Klare Absage an enthemmte Tollwutbürger

REMAGEN · In seinem Programm "Das Letzte" lässt Wilfried Schmickler seiner Empörung über den Zustand der Welt freien Lauf. In der Rheinhalle in Remagen belegte der Wortakrobat vor 400 Zuschauern, dass ihm das Schimpfen nicht vergangen ist -- und dass er sich den Mund niemals verbieten lässt.

 Bissiges Kabarett ist sein Metier: Wilfried Schmickler.

Bissiges Kabarett ist sein Metier: Wilfried Schmickler.

Foto: Martin Gausmann

Dass er als Leverkusener auch in Köln geliebt wird, ist bemerkenswert, aber nicht seine allergrößte Leistung. Vielmehr zählt er zu den beliebtesten und wohl auch bissigsten Kabarettisten Deutschlands, der sich den Ruf des „Scharfrichters“ redlich verdient hat. Mit seinem siebten Soloprogramm „Das Letzte“ war Wilfried Schmickler jetzt In der Remagener Rheinhalle zu Gast. Den rund 400 Zuschauern bewies er, dass er auch nach 20 Jahren noch schimpfen, grummeln und austeilen kann wie kein anderer.

Schon der erste Hieb des streitbaren Wortakrobaten sitzt: Mit einem Briefkasten unter dem Arm betritt er die Bühne, um zu verkünden, dass er unter die Finanzdienstleister gegangen sei und seine Firma immer dabei habe: „Schmeißen sie ihr Geld einfach hinein; ich sorge dafür, dass es verschwindet.“ Kaum hat sich Schmickler hinter seinem Pult in Stellung gebracht, bellt er seine Empörung über den desaströsen Zustand der Welt hinaus. Dabei schwingt er, wie gewohnt, die verbale Keule, ohne allerdings wild um sich zu schlagen. Vielmehr seziert der 62-Jährige die Gesellschaft und zerlegt die politischen Verhältnisse in ihre Einzelteile, um sich über deren Absurditäten und Auswüchse herzumachen.

Dabei scheint nichts und niemand vor dem „Rausschmeißer“ der WDR-Mitternachtsspitzen sicher zu sein. Wortreich nimmt er sich etwa die digitale Scheinwelt vor. „Die Leute hocken nur noch vor dem Computer und verlieren sich in irgendwelchen Rollenspielen, in denen sie vorgeben, jemand zu sein, der sie sein wollen, aber gar nicht sind, in einer Welt, die es gar nicht gibt“, so Schmickler.

Und mit Blick auf die fortschreitende Beschleunigung durch das Internet stellt er fest: „Der Mensch von heute lebt nicht mehr, er hechelt nur noch hinterher.“ Es folgt ein bitterböser Seitenhieb auf den Versandhandel: „Wie wär's denn mit Menschenketten aus Langzeitarbeitslosen, die direkt zum Kunden führen – am besten gleich in Doppelreihe: die eine für die Auslieferung, die andere für die Rücksendung.“

Mit stakkatoartigen Wortschwallen straft er die „enthemmten Tollwutbürger, die sich mit heruntergelassenen Hosen auf den Marktplatz stellen, um ihre verbale Notdurft zu verreichten“. Und wenn er die Politik abwatscht, verschont er weder Freund noch Feind. Der Wahlkölner räsoniert über die Wiederauferstehung der FDP, macht sich über den Zustand der Sozialdemokratie lustig und nimmt die AfD ins Visier („Es stinkt der See, die Luft ist rein, Björn Höcke muss ertrunken sein“).

Dass er für sich die Gürtellinie als natürliche Grenze definiert, macht er klar, wenn er auf die Bundeskanzlerin zu sprechen kommt. „Ich stehe ja nicht im Verdacht, dem Merkel-Fanclub anzugehören – eher gehöre ich in die Hooligan-Kurve“, erinnert Schmickler. Aber inzwischen schienen einige „Vollpatrioten“ zu glauben, Merkel sei Freiwild für alle, die einen Schuss frei haben. „Aber in was für einer Welt leben wir, in der Anstand nichts mehr zählt und Respekt zum Unwort geworden ist“, poltert der Mann, von dem man hofft, dass er das Letzte nicht das Allerletzte gewesen ist.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort