Alltag eines Feuerwehrmanns Jörg Nießen liest in der Remagener Rheinhalle

REMAGEN · Jörg Nießen ist Notfallsanitäter, Feuerwehrmann – und Rheinländer. Folglich kommt bei ihm der Humor nicht zu kurz. In Remagen las Nießen aus seinem aktuellen Buch „Rettungsgasse ist kein Straßenname“.

 Sein aktuelles Buch heißt „Rettungsgasse ist kein Straßenname“: Jörg Nießen im Foyer der Remagener Rheinhalle.

Sein aktuelles Buch heißt „Rettungsgasse ist kein Straßenname“: Jörg Nießen im Foyer der Remagener Rheinhalle.

Foto: Martin Gausmann

„Bitte eine Gasse bilden“, ruft er durchs Megafon. Am Stadteingang steckt der Rettungswagen im Stau und erhält gerade die Order zu einem Einsatz in der Innenstadt. Die Autofahrer reagieren mit unübersichtlichem Gewusel, obgleich eigentlich klar sein müsste, dass sie sich entweder ganz rechts oder ganz links einordnen und so eine Gasse für das Einsatzfahrzeug schaffen müssten. Jörg Nießen ist Notfallsanitäter, Feuerwehrmann – und Rheinländer. Folglich kommt bei ihm der Humor nicht zu kurz, wenn er sich die Erlebnisse aus seinem Berufsalltag sprichwörtlich „von der Seele schreibt“. Seine ersten Bücher wurden Bestseller. In Remagen las er jetzt aus seiner Neuerscheinung: „Rettungsgasse ist kein Straßenname.“

„Die Rettungsgasse sollte gebildet werden, sobald ein Stau entsteht und bevor das Martinshorn ertönt“, erklärte Nießen die Rechtslage. Wer sich als Autofahrer für besonders clever hält, kommt dann schon mal auf die Idee, sich dem Stau zu entziehen und dem Einsatzfahrzeug anzuschließen. Dann kann die Rettungsgasse der eigenen Beschleunigung dienen. Im oben beschriebenen Fall hatte das Konsequenzen, da Polizisten aufmerksam wurden. Das hinderte allerdings den Fahrer eines schnellen Pkw nicht daran, sich mit 20 Stundenkilometern vor dem Einsatzfahrzeug einzureihen.

Rettungsgasse in Nobelrestaurant

Trotz der durchaus ernsten Szenen aus seinem Berufsalltag bringt Nießen Humor in seine Darstellung. Auch, als es ins Nobelrestaurant geht, wo eine nicht mehr ansprechbare Person auf dem Boden liegt, was offenbar keinen kümmert. Rechts und links wird weiter geschlemmt, während Sanitäter und Notarzt sich eine Gasse – diesmal durch ein dicht besetztes Lokal – bahnen müssen und vom nicht informierten Personal gefragt werden, ob sie einen Tisch reserviert hätten. Erste Hilfe hatte niemand der hilflosen Person geleistet. Der Patient war tot. „Die Polizei muss mit der Zinkwanne kommen“, sinniert der Sanitäter. „Ob die Zinkwanne rein darf?“, fragt er sich angesichts des Desinteresses von Gästen und Personal.

Kindergartenbesuch in der Feuerwache, zwei Betreuer mit 40 Kindern. Da geht die Post ab zwischen den großen roten Autos. Die Kleinen sollen die Notrufnummer 112 lernen und unterscheiden können zwischen gutem und schlechtem Feuer. Das ist eine kaum zu leistende Aufgabe im viel zu kleinen und damit überfüllten Schulungsraum. Die Kinder warten mit fragwürdigen „Vorkenntnissen“, wohl aus Fernsehfilmen, auf. „Wie oft mussten sie den Verunglückten schon die Beine abschneiden?“, fragt einer. Die Frage an die Kinder, was zu tun sei, wenn im Kinderzimmer ein Feuer ausbricht, animiert die Kleinen zu immer wüsteren Vorstellungen – wenn etwa die Tür und das Fenster auch brennen.

Auf dem Hof werden die Gerätefächer der Einsatzwagen ausgeräumt, die Atemschutzmasken besabbert, es entsteht Zank um den Feuerwehrschlauch – bis alle, einschließlich der Erzieher, klatschnass von dannen ziehen. Fazit: Künftig dürfen nur jeweils acht Kinder auf einen Betreuer die Wache besuchen.

Mit seinem teilweise schwarzen Humor und der zugespitzten Darstellung der Geschehnisse gelang es Nießen, seine Zuhörer in dem gut besuchten Foyer der Rheinhalle trotz des ernsten Themas zum Lachen zu bringen – und freilich auch zum Nachdenken über die Arbeit der Helfer in der Not.

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