Kommunikation als Faktor Gegen Gewalt und für Sicherheit

REMAGEN · An der Realschule plus in Remagen werden 26 Mädchen und Jungen zu Busbegleitern ausgebildet. Die Gruppe muss zusammenwachsen.

 Die 26 Mädchen und Jungen lernen mit Hilfe von Nicole Schäfer auch die Bedeutung der im Bus vorhandenen Piktogramme kennen.

Die 26 Mädchen und Jungen lernen mit Hilfe von Nicole Schäfer auch die Bedeutung der im Bus vorhandenen Piktogramme kennen.

Foto: Martin Gausmann

An der Tür des Schulbusses wird so massiv gedrängelt, geschubst und geschoben, dass sie förmlich aus den Angeln gehoben wird und sich vom Fahrer nicht mehr schließen lässt. Schaden: 800 bis 900 Euro. Ein Fünftklässler hat nach dem Unterricht so viel Bewegungsdrang, dass er im Bus auf und nieder springt und seinen Turnbeutel durch die Reihen wirft. Sein Verhalten birgt ein hohes Unfall- und Verletzungspotenzial – für sich und andere. Das sind keine gestellten Szenen, sondern Vorfälle, die sich jüngst bei Busfahrten an der Remagener Realschule plus ereigneten.

Als dann Konrektorin Marion Schnitzler die Broschüre der Unfallkasse Rheinland-Pfalz in der Hand hält, die Acht- und Neuntklässlern in Zusammenarbeit mit Polizei und Verkehrsunternehmen eine zweitägige Ausbildung zum Schulbusbegleiter anbietet, ist sie mit an Bord. „Ich kenne das Projekt von der Ahrweiler Boeselager-Realschule und halte es für sehr sinnvoll“, sagt sie im GA-Gespräch. Immerhin sind 186 der 297 Remagener Realschüler aus dem großen Einzugsgebiet von Rolandseck bis Breisig über Ahrweiler, der Grafschaft bis hin nach Euskirchen Fahrschüler.

So stellt sich Schnitzler mittags an die Haltestellen an der Goethestraße und spricht konkret die jungen Leute an. 26 Mädchen und Jungen, darunter schon einige, die in der Grundschule Streitschlichter waren und wieder Verantwortung übernehmen wollen, sind gleich Feuer und Flamme. Sie sitzen derzeit an zwei Schultagen mit Referentin Nicole Schäfer von der Unfallkasse Rheinland-Pfalz, die das Projekt finanziert, im Klassenzimmer und pauken Stoff der etwas anderen Art: Da geht's um Verkehrssicherheit, Kommunikationstraining, Teamfähigkeit, rechtliche Hintergründe und um die Sicherheitseinrichtungen im Bus.

Fährt heute extra ein Fahrzeug der Ahrtalverkehrsbetriebe von Frank Bodtenberg aus Sinzig vor, um „am lebenden Objekt“ die klassischen Situationen durchzuspielen, werden in der Theorie auch die Piktogramme wie „Keine Inliner“, „Sitzplatz für beeinträchtige Menschen“ oder „Essen und Trinken verboten“ besprochen. So spricht die Gruppe, zu der auch Merle Müller und Abdessamad Challali gehören, über Regeln, die einzeln schriftlich an der Tafel fixiert werden. Da fordert Schäfer sie mit Nachdruck auf, laut und deutlich zu reden, sich aber auch dabei anzuschauen. Sie bittet die Runde zudem, sowohl Knackpunkte als auch Motivation zu formulieren.

Ann-Katrin, Lisa, Luca oder Ari tragen auf der Motivationsliste „Hilfe“, „Zivilcourage“, „Unterstützung“, „Zusammenhalt“ oder „was Gutes tun“ zusammen; Knackpunkte sind „Lautstärke“, „Gedrängel“, „keine Sitzplätze“ oder „jeder macht an der Haltestelle und im Bus, was er will“.

„Kommunikation wird hier trainiert, weil das ohnehin das einzige probate Mittel ist, um sich künftig als Schulbusbegleiter durchzusetzen“, sagt Schäfer, die Schulen im ganzen Land bereist. Sie müssen nicht nur die quirligen Schulanfänger, die noch brüllen und rennen und an jeder Haltestelle wie Hasen auf einen anderen Sitz hüpfen, in den Griff bekommen, sondern auch Gleichaltrigen oder Älteren im Ernstfall verbal und mit Zivilcourage entgegentreten. Und sich nicht scheuen, Erwachsene um Unterstützung zu bitten.

Geplant ist laut Schnitzler – wenn Schüler und Eltern übers Projekt informiert sind – zeitnah und zügig zu starten und die 26 Schulbusbegleiter mit Buttons zu bestücken. „Dann werden sie als solche erkannt. Ich bin mir sicher, dass sie sich ihrer Position bewusst sind und sich jeweils zu zweit oder dritt Gehör verschaffen können“, betont die Konrektorin.

Um mehr Sicherheit zu erreichen, zum Beispiel dass keine Taschen im Weg stehen, freie Plätze auch genutzt und jüngere Kinder nicht bedrängt werden, um Gewalt zu minimieren und Beschädigungen am Bus zu reduzieren, muss jedoch erst mal die Gruppe zusammenwachsen. „Die Bildung des Teamgeistes gelingt auf spielerische Art. Schnell merken die Jugendlichen, dass sie nur gemeinsam ans Ziel kommen“, weiß Schäfer aus Erfahrung. Gemault wurde gestern nur, als die Schüler der 8 e erfuhren, dass sie von der Zusatz-Ausbildung heute eine Stunde frei gestellt sind: zum Schreiben einer Englischarbeit.

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