Aus der Geschichte Oberwinters Eine mehrfache Bescherung

OBERWINTER · An Nikolaus und Weihnachten profitierten die Kinder des Oberwinterer Postboten von seinen Gefälligkeiten gegenüber den Nachbarn. Ein Büchlein des Rathausvereins klärt auf

 1924 im Gudrunhof:Ferdinand Stausberg (l.) liest seiner Familie mit Ehefrau Christine (r.) aus seinen Erinnerungen vor. Repro: Rathausverein Oberwinter

1924 im Gudrunhof:Ferdinand Stausberg (l.) liest seiner Familie mit Ehefrau Christine (r.) aus seinen Erinnerungen vor. Repro: Rathausverein Oberwinter

Foto: Rathausverein

„Alle Jahre wieder kommt das Christuskind“, heißt es im Weihnachtslied. Und seit dem 16. Jahrhundert verheißt die Feier zur Ankunft Jesu vor allem den Kindern zugedachte Geschenke. Zuerst am Hofe und vom Adel geübt, verbreitete sich der Bescherbrauch schließlich im 19. Jahrhundert in bürgerlichen Kreisen.

Nicht nur zu Nikolaus freuten sich auch Ferdinand Stausberg und seine Geschwister in Oberwinter über einen Weckmann, Apfel, Birnen, Nüsse. Es gab „zu Weihnachten dasselbe und etwas Spekulatius. Dann irgendetwas Nützliches: ein schöner gestrickter Wollschal, eine neue Mütze, neue Schuhe und eine bunte lackierte Blech-Griffelbüchse“, schrieb er über seine „sorgenfreie und fröhliche Kindheit“ in den 1870er Jahren.

Was der Mann einst für den familieninternen Gebrauch aufzeichnete, hat der Rathausverein Oberwinter als Büchlein herausgegeben. Zu Recht, denn die Darstellungen der Lebensumstände vor rund 140 Jahren, Schule und Strafen, Nachen-Fahrten, Spiele und Streiche sind sowohl kulturhistorisch interessant als auch erbaulich zu lesen.

Von 1871 bis 1879 lebte die Familie des Postboten Heinrich Stausberg (vormals Postillion in Sayn) im Hafenort: „die schönste und glücklichste Zeit meines Lebens“, urteilte sein Sohn Ferdinand, den spätere Stationen nach Koblenz, Ahrweiler, Brohl, Unkel, Breyell (Niederrhein) und Köln führten.

Was Nikolaus und Weihnachten angingen, so erwiesen sich beide Termine für die Familie mit sechs Kindern ergiebiger, als es das kleine Einkommen des Familienoberhauptes vermuten lassen sollte. Doch seiner eifrigen Pflichtauffassung und freundlichen Natur hatte es der Nachwuchs zu danken, dass er mehrfach Gaben einsammeln konnte.

Wochentags um drei Uhr morgens lieferte der Vater die in den Orten eingesammelte Post zum Postzug in Rolandseck beziehungsweise holte er Postsendungen ab, brachte sie nach Unkelbach, Oedingen, Birgel, Bandorf und zu verstreut liegenden Höfen und Mühlen. Nachmittags musste er nochmals nach Rolandseck. Selbst spät abends hatte er keine Ruhe. Bei ihm zu Hause klopften zumeist Weinhändler mit Briefen an, „die sie gerne noch mit dem ersten Zug befördert hatten“.

Allerdings zeigten sich die Nachbarn Müller, Lauffs, Lichtenthäler und Schlösser für die übers Jahr erwiesenen Gefälligkeiten an den Festtagen erkenntlich. „Nachdem wir Kinder schon recht fleißig gebetet hatten und von den Eltern beschert worden waren, ertönte noch mindestens drei oder vier mal in dem Obstgarten hinter unserem Haus die Klingel des heiligen Nikolause und des Christkindchens, auch hörten wir das Kettengerassel des großen ‚Hans Muff‘.“

Als die Kinder erneut zu beten anfingen, flogen durch ein Küchenfensterchen Äpfel, Birnen, Nüsse und Backwerk: „Dadurch wurde unsere Bescherung so reichlich, dass wir Kinder jeder eine große ‚Kump‘ (Schüssel) voll hatten“.

Wie seinerzeit in der Familie der Christbaum aussah, „meist eine Kiefer, die uns der Nachbar Lauffs besorgte“, erfährt der Leser ebenfalls durch Ferdinand Stausberg. Als Ältester half er der Mutter beim „Zieren“ des Baums. Sie lehrte ihn, „aus buntem Papier nette Körbchen zu schneiden“ für Bonbons. „Dann wurden noch Fähnchen in allerhand Farben geschnitten und geklebt. Nüsse wurden versilbert und vergoldet. Fast alles was am Baum hing, war essbar“. Keine Frage, dass die Freude der Stausberg-Kinder groß war, wenn sie ihn zuletzt plündern durften.

Die Aufzeichnungen in alten Schriften, die heute kaum jemand lesen kann, las Enkelin Gudrun Stausberg vor. Ute Metternich vom Rathausverein nahm sie auf Band auf und bereitete sie für die Publikation vor, die 74 Seiten, viele alte Postkarten, Fotos und Stiche umfasst und sechs Euro kostet.

Die Bezugsmöglichkeiten für das Büchlein: in Oberwinter beim Rathausverein, Hauptstraße 99, Vorsitzender Hans Metternich,0 22 28/73 14 und Lena´s Cafe Hauptstraße 97; im Arp Museum in Rolandseck und bei Hauffes Buchsalon in Remagen.

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