Aufmarsch von Neonazis Dreyer verurteilt „unseligen Nazi-Spuk“ in Remagen

REMAGEN · In Remagen sind am Samstag Rechtsextreme aufgetreten. Gegendemonstranten aus dem bürgerlichen und linken Lager stellten sich ihnen entgegen - und auch die Ministerpräsidentin und die Stadt konterten den Aufmarsch der Neonazis.

 Eher bescheiden machte sich der Aufmarsch der Neonazis in Remagen mit rund 130 Teilnehmern aus.

Eher bescheiden machte sich der Aufmarsch der Neonazis in Remagen mit rund 130 Teilnehmern aus.

Foto: Martin Gausmann

In diesem Jahr kamen sich in Remagen die rechtsextremen Gruppierungen um den alljährlichen „Gedenkmarsch für die Toten in den alliierten Rheinwiesenlagern“ und die Gegendemonstranten aus dem bürgerlichen und linken Lager sehr nahe. Das war Absicht, denn das „Bündnis für Demokratie wollte den Neonazis durch Blickkontakt zeigen: „Ihr seid hier nicht erwünscht.“ Dies unter dem Motto „Null Bock auf Nazis“ am Rhein-Ahr-Campus und auf dem Marktplatz. Am Campus trennten beide Gruppen nur wenige Meter. Bis auf ein paar Sitzblockaden auf der Straße sowie eine Kletteraktion in den Bäumen an der Jahnstraße verliefen die Veranstaltungen von 130 Rechtsextremen und 1000 Gegendemonstranten nach Angaben der Polizei ruhig. Die Polizei hatte 480 Beamte vor Ort. Später gerieten Linke und Rechte am Bonner Hauptbahnhof jedoch gewaltsam aneinander und lieferten sich eine Massenschlägerei.

Begonnen hatte der „Tag der Demokratie“ mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Kapelle der Schwarzen Madonna. Dieses Kunstwerk des einst in den Rheinwiesen inhaftierten Kriegsgefangenen Adolf Wamper sei „ein Zeichen des Lebens, ein Zeichen der Hoffnung“, so Pfarrer Frank Klupsch. Er ermunterte die Demokraten „gegen alles aufzustehen, was menschenfeindlich ist.“

In einem großen Schulterschluss zeigten sich zur Kundgebung alle gesellschaftlichen und politischen Redner besorgt um den Zustand Deutschlands mit Blick auf das Wiedererstarken rechten Denkens, das auch vor Gewalt nicht Halt machen würde. Dietmar Muscheid, Vorsitzender des DGB-Bezirks Rheinland-Pfalz/Saarland, nannte es zwar „gelebte Demokratie“, dass man auch den Rechten ihre Versammlungsfreiheit zugestehe, man dürfe jedoch nirgendwo „den Nazis den Raum alleine lassen.“ Mit Blick auf den Anschlag von Halle und den Mord am Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke ermahnte er: „Wir sind mitten drin in der Auseinandersetzung um die demokratische Zukunft unserer Gesellschaft.“ Sabrina Kunz von der Gewerkschaft der Polizei schärfte den Zuhörern die Gewaltfreiheit des Protestes ein, der nichtsdestotrotz „laut und lustig, kreativ und bunt“ sein dürfe.

In leuchtend rotem Schal und roter Hose betrat die Hauptrednerin des Tages die Bühne. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer zeigte sich beeindruckt vom Einsatz des „Bündnisses für Demokratie“, die Stadt in ihrem Sinne gestaltet zu haben: „Das erfüllt mich mit ganz großer Freude.“ Sie verurteilte „diesen unseligen Nazi-Spuk“, musste jedoch eingestehen, dass Deutschland „wieder ein strukturelles Problem mit Rechtsextremismus“ hat. Dreyer rief zum „Widerstand auf gegen Rechtsextreme in Springerstiefeln und Bomberjacken, aber auch gegen die Rechten „in Schlips und Kragen“, die sich Plätze in den Parlamenten erringen würden. Zum Thema rechter Hetze im Netz forderte sie die Zuhörer auf: „Stellen Sie Strafanzeige!“ Als einen Lösungsansatz versprach sie die Verstärkung politischer Bildung in den Schulen.

Auf dem Marktplatz sprach Landrat Jürgen Pföhler von einer „akuten Bedrohung unserer demokratischen Ordnung“ durch Rechtsradikalismus. „Der recht Terror ist vernetzt“, fuhr er fort, „es ist eine Schande für unser Land.“ Man müsse „mit allen rechtsstaatlichen Mitteln intervenieren“. Er forderte die Zuhörer dazu auf, auch in privaten Kontexten Zivilcourage zu beweisen: „Es liegt an jedem Einzelnen von uns, unsere Demokratie zu verteidigen.“ Zum Abschluss seiner Rede rief Bürgermeister Björn Ingendahl den rechten Demonstranten zu: „Bleibt zuhause, denn Remagen ist unser Zuhause.“

Neben Demonstrationen und Reden stand aber auch viel Kultur auf dem Programm des „Tags der Demokratie“. Singer-Songwriter wie Eze Wendtoin und Alice Tunney spielten auf der Bühne am Campus und auf dem Marktplatz wurde es wie in den vergangenen Jahren kölsch. Jörg P. Weber und seine „Flitsch“ mussten sich zwar zu Fuß durch die Straßensperren zwängen, kamen aber dennoch pünktlich an. Die „Domstürmer“ brachten den Platz zum Beben und feierten die jecke Buntheit gegen braunen Spuk.

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