Fatih Çevikkollu in der Remagener Rheinhalle Dinkel-Dominas auf dem Kinderspielplatz

REMAGEN · Mit "FatihTag" präsentierte Schauspieler und Kabarettist Fatih Çevikkollu in der Remagener Rheinhalle ein teilweise knallhartes Kabarettprogramm, bei dem so einige Lacher dem Publikum im Halse stecken blieben.

 Fatih Çevikkollu.

Fatih Çevikkollu.

Foto: Martin Gausmann

Mit zahlreichen Seitenhieben auf die derzeitige Gesellschaft, Einblicken in das zwischenkulturelle Leben und schonungsloser Abrechnung mit den Missständen dieser Welt spaltete er das Publikum: viele applaudierten ihm bis zum Schluss begeistert, einige jedoch hatte schon zur Pause genug.

So harmlos der Mann im knallroten Anzug und den Schlappen auch aussah: Çevikkollu entzündete von der ersten Minute an die Lunte am kabarettistischen Pulverfass des Abends. Wenn er die Vorteile von Hartz-IV-Immobilien darlegte, wenn er eine Politikerampel ähnlich der gescheiterten Lebensmittelampel forderte, wenn er feststellte, dass die Gesellschaft mehr Verlierer als Gewinner produziere und jedes Hamsterrad von innen wie eine Karriereleiter aussehe, dann legte der Kabarettist seinen Finger ganz tief in politische und soziale Wunden.

Auch gewagt grenzwertige Thesen stellte Çevikkollu in den Raum: "Der Verfassungsschutz ist die Nachfolgeorganisation der SS und Gestapo. Überlegt mal, ohne "ss" lässt sich Verfassungsschutz doch schon gar nicht schreiben." Wenn die Zuschauer auf ihren Sitzen unruhig wurden, dann war er ganz in seinem Element. Im nächsten Moment zeigte Çevikkollu sein entwaffnendes, breites Lächeln und versicherte, dass das alles doch nur Spaß sei. Ein ungutes Gefühl blieb dennoch. Nicht nur die großen Themen wurden angesprochen, auch der alltägliche Wahnsinn zwischen Übermüttern auf dem Kinderspielpatz - wahlweise "Dinkel-Dominas", "Bio-Bitches" oder "Tuppertruppen-Tussies" genannt - und der musikalischen Früherziehung seiner Tochter war Teil des Programms.

Befreit lachen konnte das Publikum, als Çevikkollu einen freundlichen Yogi mit unverständlichem Namen, aber einer Frau namens Helga mimte und seinen brasilianischen Freund "Juao" aus "Faustn von Goethn" zitieren ließ. Auch seine breiten Erzählungen aus seinem Leben als Vater ließen das Publikum zwischen den Partien mit beißendem Sarkasmus aufatmen.

Mit stimmlicher Unterstützung des Publikums ließ sich der in Köln geborene Künstler sogar zu einem bejubelten Kopfstand hinreißen. Als Kopfstand ließ sich der gesamte Abend charakterisieren. Çevikkollu forderte den Friedensnobelpreis für die Vorhaut, da sie es geschafft habe, in Deutschland Juden und Muslime gegen die Beschneidungsgegner zu einen. Des Weiteren stellte er die Frage in den Raum, wie das Verhältnis der Deutschen zu den Türken wohl wäre, wenn Bill Gates Türke wäre und auf ihren Rechnern ein türkischer Titel prangen würde.

Nach drei Stunden Programm war das Publikum spürbar am Ende seiner Auffassungskraft, erklatschte sich aber dennoch eine Zugabe, die Çevikkollu jedoch nur für Werbezwecke in eigener Sache nutzte. Dieser Abend war wie eine Berg- und Talfahrt und ließ so manchen Zuschauer nach der Vorstellung nachdenklich in die milde Mainacht gehen.

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