Jürgen Becker in Remagen Bachchoral und Bauernsalat

REMAGEN · Das Motto des Abends „Ist das noch Musik oder schon ein Weihnachtslied?“ Auch die „Talking Horns“ zeigten in Remagen das andere Gesicht vorweihnachtlicher Emotionen.

 Jürgen Becker (l.) und Martin Stankowski sorgten in Remagen für ausgelassene Stimmung.

Jürgen Becker (l.) und Martin Stankowski sorgten in Remagen für ausgelassene Stimmung.

Foto: Martin Gausmann

Wenn die jazzige Kabarettkapelle „Talking Horns“ mit ihrem Frontmann Martin Stankowski auf das rheinische Kabarettisten-Urgestein Jürgen Becker trifft, dann ist ein Abend voller Lachtränen garantiert. In der Remagener Rheinhalle war die Stimmung entsprechend ausgelassen. Mit einem fachkundigen und dennoch humoristischen Blick auf das Weihnachtsfest sorgten die Künstler für reichlich Begeisterung.

Weihnachten als Zeit von Einkehr und Besinnlichkeit? Von wegen! Der Choral „In dulci jubilo“ in seiner klassischen Fassung von Michael Praetorius hebt an und verbreitet vorweihnachtliche Stimmung, dann drehen die vier Musiker das Lied einmal durch den Jazzfleischwolf, um schließlich wieder ganz klassisch in der Bearbeitung von Johann Sebastian Bach zu münden.

Bei dem Motto des Abends „Ist das noch Musik oder schon ein Weihnachtslied?“ war das Nomen Omen. Sei es „Kommet ihr Hirten“ in einem virtuosen Variationensatz oder „Oh Tannenbaum“ im Dixieland-Stil: Das Publikum ging mit. „Morgen, Kinder, wird’s was geben“ sangen die Zuschauer unter dem fachkundigen Dirigat Beckers sogar über einen humoristischen Bruch hinaus. Zwischen den Stücken erzählte „St. Ankowski“ Anekdoten und Geschichten rund um die Feste, die sich um den Jahreswechsel reihen.

Vom „Elften im Elften“ und dem Beginn der Session bis hin zu den Heiligen Drei Königen geht es allen doch nur um eins: das Feiern. Kelten oder Christen, Germanen oder der alte Luther haben an der dunklen Jahreszeit so lange herumgefeilt, bis sie zu der hellerleuchteten Winterwelt wurden, die uns heute von jedem Weihnachtsmarkt entgegenschallt. Die phrygische Mütze, die den heutigen Weihnachtsmann ziert, hat ihre Wurzeln in der Französischen Revolution. „Vom Deutschen Michel bis zu den Schlümpfen: Alles Weihnachtsmänner“, wusste Stankowski zu berichten.

Für den kabarettistischen Blick in die Gegenwart war Becker zuständig, der selbst tagesaktuelle Ereignisse einbrachte. Er erklärte die Hintergründe des Wortes des Jahres „postfaktisch“ und wie sehr der Begriff eigentlich auf Weihnachten passen würde. Weihnachten ist für ihn das Fest der multikulturellen Verständigung.

Da treffen Hymnen der Arbeiterschaft auf muslimische Straßenbeleuchtungen und die Bergpredigt auf griechischen Bauernsalat. In gewohnter Manier garnierte er die meist ernsten Themen mit witzigen Pointen, welche dem Abend seine markante Leichtigkeit gaben.

Das Publikum verzieh dem gebürtigen Kölner sogar Witze über die Remagener Vorfahren oder die ausgestorbene Innenstadt von Bad Breisig. Selbst Geschmacklosigkeiten wie „Schinken bellt“ über den chinesischen Festtagsbraten aus Hund sahen ihm die Besucher nach.

Nach dem letzten Ton konnte man für den Kopf viel neues Wissen mit nach Hause nehmen, gepaart aber mit dem guten Gefühl, für den Bauch reichlich musikalische Nahrung bekommen zu haben. Der Schlussapplaus fiel dementsprechend gesättigt aus.

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