Zupfinstrumentenmacher Tobias Ahlke In 60 Stunden zur Meistergitarre

OBERWINTER · Zupfinstrumentenmacher Tobias Ahlke fängt mit Krach an, ehe er den feinen Klang „baut“. Beim Kirschblütenfest in Oberwinter gab es jetzt Einblicke in seine Arbeit.

 Tobias Ahlke (2. von links) lässt auch die Gäste mal eine Rohform schleifen.

Tobias Ahlke (2. von links) lässt auch die Gäste mal eine Rohform schleifen.

Foto: Martin Gausmann

Um die Mittagszeit wurde es plötzlich eng in der kleinen Werkstatt des jungen Zupfinstrumentenmachermeisters Tobias Ahlke in Oberwinter – eine Berufsbezeichnung, die jedes Kreuzworträtsel sprengen würde. Der Einladung zum Tag der offenen Tür waren zahlreiche Besucher des Kirschblütenfestes gerne gefolgt und so durchstreiften Horden von Kindern und interessierten Erwachsenen die Arbeitsräume in der Nähe des Yachthafens.

Mit wachsender Freude erzählte ihnen Ahlke von seinem Beruf, für den er sichtlich zu brennen scheint und der ihn vor knapp einem Jahr dazu brachte, sich nach einer kurzen Anstellung bei der Remagener Firma „I.S.H. Saiten und Harfen“ selbstständig zu machen. Die unterschiedlichsten Arbeitsschritte, bis am Ende eine individuelle akustische oder elektronische Meistergitarre entsteht, wurden den Besuchern vor Augen geführt, die sich von der minutiös-detailreichen Vorgehensweise des gebürtigen Güterslohers überzeugen konnten.

Bevor fein ziselierte Gitarrenmusik erklingen kann, muss erst einmal Krach gemacht werden. An dröhnenden Maschinen verarbeitet Ahlke Tropenhölzer, aber auch – und das mit Vorliebe – einheimische Gehölze, damit die hauchdünnen Decken und stabilisierenden Seiten der Gitarre entstehen können. Diesem Schritt geht ein intensives Gespräch mit dem jeweiligen Musiker voraus. „Mir ist es am liebsten, wenn Musiker mit einer spezifischen Klangvorstellung kommen, dann kann ich das beste Angebot machen“, sagt der Handwerksmeister, der gerne außerhalb von Schablonen und Vorlagen denkt. Ob Nylonsaiten, Stahlsaiten oder eine gepflegte E-Gitarre – Ahlke ist für jeden Wunsch offen, auch wenn seine Arbeit sich momentan eher auf Reparaturen beschränkt.

Ist der große Lärm der Maschinen verstummt, ist ein leises Pfeifen in den beiden Räume in der ersten Etage zu vernehmen. „Ich liebe das Geräusch eines gut scharfen Hobels“, schwärmt der in Bayern ausgebildete Handwerksmeister. Wenn er es benutzt, dann durchzieht der leicht süßliche Geruch von Zedernholz – bekannt vom Spitzen eines Bleistifts – die Arbeitsräume. Der aufwendigste Teil in der Herstellung einer Gitarre ist die Optik.

Braucht es für den Klang das nötige handwerkliche Geschick, so besteht der größte Aufwand für den Gitarrenbauer darin, das Instrument mit Intarsien von Holz bis Perlmutt auch für das Auge ansprechend zu gestalten. Unter 60 Stunden Arbeitszeit verwendet Ahlke für keine seiner Gitarren. Dabei greift er mitunter auch auf traditionelle spanische Methoden, beispielsweise bei der Verleimung, zurück, die nicht nur Platz sparen, sondern auch die Verwendung zusätzlicher Gerätschaften erübrigen: „Ich will mich keinen festen Denkmustern unterordnen. Jedes Klangbild braucht seine entsprechende Gitarre.“

Neben den Gitarren widmet sich Ahlke allen Saiteninstrumenten, die man zupfen kann, wie Mandoline oder Hackbrett – wobei ihm letzteres aus seiner Ausbildung in Bayern in keiner guten Erinnerung geblieben ist. Seine Spezialität sind Harfen. Ist diese irgendwo angestoßen, dann bringt er den Lackschaden mit einer professionellen Lackretusche fast zum Verschwinden. Auch in Sachen Lackierung legt sich der Wahl-Oberwinterer keine Denkverbote auf. Mit einem modernen Zwei-Komponenten-Lack, der sich süßlich-beißend in der Nase verfängt, stellt er robuste Oberflächen her, die gleichzeitig das Holz nicht gänzlich verschwinden lassen.

Für ultrafeine Klangkörper und Liebhaber sichtbarer Holzmaserung hat Ahlke auch einen Schelllack im Schrank, dessen an Kräuterlikör erinnernder Geruch weit angenehmer ist. Am Ende hält der neue Besitzer ein Unikat in seinen Händen, das es so kein zweites Mal auf Erden gibt. Und sollten die von Ahlke bevorzugten Edelstahl-Bünde vom Spielen einmal abgenutzt sein, dann übernimmt er gerne auch die Reparatur – bis zum Einsetzen eines komplett neuen Gitarrenhalses.

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