Kampf gegen Plastik Erster Unverpackt-Laden in Remagen öffnet

REMAGEN · Plastik ist bei Christine Lühmann-Wilshusen in Remagen verpönt. Ihr Ziel: Kein Müll, keine Verschwendung. Die Ware wird den Kunden in mitgebrachte Beutel, Becher oder Schüsseln gefüllt.

 Kunde Klaus Puchstein hat ein Glas von Zuhause dabei und füllt darin Nüsse ab.

Kunde Klaus Puchstein hat ein Glas von Zuhause dabei und füllt darin Nüsse ab.

Foto: Hildegard Ginzler

Samstagmorgen in der Remagener Markstraße 68. Der Reiz des Neuen entfaltet immer einen Sog, aber damit allein lässt sich der Zulauf im Unverpackt-Geschäft von Christine Lühmann-Wilshusen, das erste im Kreis Ahrweiler, nicht erklären. „Ich war positiv überrascht, wie viele Menschen interessiert sind“, so die Inhaberin beeindruckt.

Wer sah, was am ersten Tag in „Christines Laden“ los war, dem drängte sich auf, dass der Wille zur Vermeidung von Müll und Vergeudung in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Offenbar haben es zahlreiche Leute satt, gezwungen durch festgelegte Warenmengen, Mehrfachverpackungen und allenthalben Plastik, an der Vermüllung der Erde aktiv mitzuwirken.

Im Unverpackt-Laden, der mit Lager und Küche 95 Quadratmeter misst, vertreibt die gelernte Hauswirtschafterin Lühmann-Wilshusen, die Jahre lang eine Bonner Schulküche leitete, Waren, die der Kunde in eigene Beutel, Becher oder Schüsseln füllt. Der Zugang zu losen Lebensmitteln, die im Verkaufsraum aus transparenten Spendern rieseln, vereinfacht das plastik- und abfallarme Einkaufen im Alltag ganz erheblich.

Sicher, auch die Betreiberin bekommt die Verkaufsartikel verpackt geliefert: „Aber da ich in Großgebinden von fünf, zehn und 25 Kilo bestelle, fällt in jedem Fall weniger an.“ 75 Prozent Müllvermeidung soll so erreicht werden. Außerdem zieht Lühmann-Wilshusen Papier den Plastikverpackungen vor. Doch es gibt Ausnahmen, „aus hygienischen Gründen, zum Beispiel bei Nudeln“.

Generell will die Mutter vier erwachsener Kinder, die wie ihr Mann aus einer norddeutschen Bauernfamilie stammt, Lebensmittel anbieten, die „regional, bio und nachhaltig“ sind. „Nachhaltig als mein persönlicher Versuch, etwas für unsere Zukunft und die unserer Kinder zu tun.“

Regional steht für kurze Transportwege und „Lieferanten möglichst von Ahr, Rhein und Eifel wegen toller Produkte und Produzenten, die ökologisch anbauen und selbst versuchen, Plastik und Müll zu vermeiden“. Überzeugt von gesunden, natürlichen Lebensmitteln, wählt sie überwiegend zertifizierte Bio-Produkte für ihr Sortiment.

Das gibt es im Angebot

Doch was gibt es alles im Laden? Etwa viele Nudelsorten, außerdem Exotisches wie Wildkaffee aus Äthiopien aus der Provinz Mocca und Lupinenkaffee als auch Bekanntes, wie Dinkel, Roggen, Weizen, Nackthafer, Gersten- und Haferflocken, Müsli, Mehle, Linsen und Kidney-Bohnen.

Mehrere Reis-Arten sind zu haben, ebenso Milch und Käse, Buchweizen, Grünkern, Hirse, Couscous und Polenta sowie Sultaninen, Datteln, Feigen, Kerne und Nüsse. Zudem werden Backzubehör angeboten, wiederverwendbare Kaffeefilter und Pflegeprodukte, unter anderem Zahnputztabs und festes Shampoo.

Biowein kommt von der Ahrweiler Maibachfarm, Öl und Essig von der Patrizia GmbH in Gelsdorf und Eier aus Remagen. Brot liefert die Bäckerei Laib und Seele in Rheinbach und Honig der Remagener Imker André Günther.

Alles steht sehr übersichtlich und gut ausgezeichnet in den „Bauholz“-Design-Regalen aus Schalbrettern. Auch ansonsten hat die Ladeninhaberin für die Ausstattung bewusst auf gebrauchte Dinge gesetzt. Im Sozialkaufhaus erstand sie Möbel, Gläser und Besteck. Die Küchenwaage ist ebenso ein Zweite-Hand-Objekt wie die Kaffeemühle „Guatemala“, stets dem Grundgedanken geschuldet, „jetzt nichts Neues, einerseits um den Laden spürbar zu gestalten, andererseits – es spart“.

Einfach war es nicht bis zum Unverpackt-Laden. Obgleich der Ehemann Beistand bot, gingen Lühmann-Wilshusen und ihr Mann den Weg „nicht mit einem breiten Lächeln“. Doch die nun Selbstständige bewies Standvermögen. Sie beantragte über ihre Hausbank einen Kredit für Existenzgründungen bei der staatlichen Förderbank „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ (KfW) und nahm eine Remagener Unternehmensberatung in Anspruch.

Selbst die Ursprungsidee, ein Café in der Römerstadt zu betreiben, die die Geschäftsfrau aufgab, als sie erkannte, dass Remagen mit Cafés durchaus gut versorgt ist, ließ sich im Unverpackt-Laden mitrealisieren. Jeweils acht Gäste drinnen und draußen kann sie bewirten mit einem Süppchen, Kaffee und demnächst auch selbst gebackenem Kuchen.

Noch stemmt die Remagenerin eine „One-Woman-Show“. Doch bald wird sie Unterstützung brauchen. Einige Menschen finden die Arbeit im Laden so attraktiv, dass sie bereits ihre Hilfe angeboten haben.

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