Galerie "Zum Schwanen" 19 Fotografien des israelischen Künstlers Gideon Sella

OBERWINTER · "Erinnerungen und andere Dokumente" ist der Titel einer Ausstellung, die seit Samstag in der Galerie "Zum Schwanen" in Oberwinter zu sehen ist. Gezeigt werden 19 Fotografien von Gideon Sella. Es ist eine sehr persönliche Schau. Denn die Werke des aus Israel stammenden Künstlers basieren auf Fotos, Briefen und Dokumenten, die sich in seinem Besitz befinden, seit seine Mutter vor neun Jahren im Alter von 93 Jahren verstarb.

 "Erinnerungen und andere Dokumente" stellt Gideon Sella in der Galerie "Zum Schwanen" aus.

"Erinnerungen und andere Dokumente" stellt Gideon Sella in der Galerie "Zum Schwanen" aus.

Foto: Martin Gausmann

Als Sprössling einer deutschen jüdischen Familie nahm er den Nachlass zum Anlass, um sich auf künstlerische Art mit seiner Herkunft auseinanderzusetzen.

Mütterlicherseits stammt die Familie des 67-Jährigen aus Unkel am Rhein. Dort erinnert bis heute die Simon-Levy-Straße an seinen Großvater. Der Vater war der Oberlandesgerichtsrat Dr. Kurt Steinberg, der 1936 aus dem Ghetto Theresienstadt freigekommen war und mit seiner Familie nach Israel übersiedelte, wo er seinen Namen in Sella hebräisieren ließ. "Die Loslösung von meiner deutschen Herkunft habe ich nie richtig vollzogen", erklärt Gideon Sella.

Das große ungelöste Rätsel, die tiefe Beleidigung und deren Gründe einerseits, und der deutsche Bücherschrank der Eltern, die Sprache bevor er hebräisch sprach, sein Studium an der Fachhochschule für Fotografie in Köln, die Kenntnis der Verwurzelung der deutschen Juden in der deutschen Kultur und deren Beitrag dazu - all das habe diese Loslösung nicht möglich gemacht.

Die Fotos zeigen etwa seine Mutter mit einer Freundin vor der Kulisse des Rheins bei Köln. Außerdem nutzt der Fotograf Briefe, die seine Großmutter zwischen September 1939 und März 1942 während ihres Aufenthaltes im "Judenhaus" in Köln und dem Konzentrationslager Theresienstadt geschrieben hat.

In Letzterem ist sie 1942 von den Nazis ermordet worden. Und schließlich zeigt der 67-Jährige die Seite eines aufgeschlagenen "Poesiealbums", auf der ein Gedicht zu lesen ist - geschrieben am 25. Juni 1920 in Unkelbach. Alle drei Motive sind als Sequenz gestaltet, im Zuge derer das Original Schritt für Schritt überlagert wird, bis es schließlich komplett geschwärzt und allenfalls noch schemenhaft zu erkennen ist.

"Die jeweiligen Bilderreihen symbolisieren das verblassende Gedächtnis, das mit dem zunehmenden Verfall von Informationen und Bedeutungen einhergeht", führt der Künstler aus. So ist etwa der Inhalt der Briefe belanglos. Er besteht nicht selten aus Floskeln, wichtige Infos werden allenfalls in codierter Form weitergegeben - denn die Briefe wurden kontrolliert.

Von Generation zu Generation gehen die Informationen mehr und mehr verloren, bis sie vom Leser schließlich gar nicht mehr wahrgenommen werden. Das gleiche Schicksal wird irgendwann auch die auf den Fotos abgebildeten Personen ereilen. Gideon Sella lässt Bilder, Briefe und Dokumente weiterleben, indem er ihnen künstlerischen Wert verleiht, und sie so auf eine andere, neue Bedeutungsebene hebt.

Die Ausstellung ist bis 11. November, freitags von 15 bis 18 Uhr zu besichtigen, oder nach telefonischer Anmeldung unter 02228/912875 sowie 0172/9533244.

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