Sinzig Professor Sell referiert über Folgen der demografischen Entwicklung

Sinzig · Verwaiste Kindergärten und Schulen, überfüllte Pflegeheime, leere Dörfer, dem Zerfall preisgegebene Infrastruktur auf dem Land, Zuzugs-Gewinner- und Verliererstädte mit überteuertem oder auch ungenutztem Wohnraum, fehlende Facharbeiter und Auszubildende, Verödung des Handwerks, Kollaps in den Rentenkassen, Überfremdung der Gesellschaft.

 Stefan Sell: "Wer soll die Älteren pflegen?"

Stefan Sell: "Wer soll die Älteren pflegen?"

Foto: Martin Gausmann

Wenn es um die Folgen und die Brisanz der deutschen Bevölkerungsentwicklung geht, dann ist Stefan Sell, Direktor des Instituts für Bildungs- und Sozialpolitik der Hochschule Koblenz, ein gefragter Mann in Fachforen und Talkshows. Nun war er im Sinziger Rhein-Gymnasium zu Gast. Den Schülern lehrte er das Grauen vor der Zukunft.

Geburtenrate, Wanderungssaldo, Lebenserwartung: Diese drei Faktoren sind für die demografische Entwicklung ausschlaggebend, und die sind seit Jahrzehnten bekannt. Immerhin liegt die Geburtenrate seit Mitte der 70er Jahre unter dem Soll. Dass es in weniger als 20 Jahren 54 Prozent mehr Menschen, die 80 Jahre und älter sind geben wird, und 35 Prozent weniger, die zwischen zehn und 15 Jahre alt sind, ist nicht neu.

"Wer soll die Älteren pflegen?", fragte Sell. Es lasse "einem das Blut in den Adern gefrieren", wenn man bedenke, dass es jetzt schon Windeln für Pflegebedürftige gebe, die 3,5 Liter Füllmenge aufnehmen könnten. Grund: Pflegekräfte kämen nicht mehr dazu, betagte und kranke Menschen mit Zeitaufwand zu betreuen. Volle Windeln statt Toilettengang.

Weitere Facetten des demografischen Wandels: "Die vorhandenen Schulstrukturen", so Sell, "werden wegen des mangelnden Nachwuchses nicht mehr zu halten sein." Die duale Berufsbildung gehe verloren, kaum mehr einer gehe ins Handwerk. Überforderte junge Menschen drängten vielmehr in die Hochschulen, in denen sie vom Intellekt her nichts zu suchen hätten.

Die Abbrecherquote sei schon jetzt exorbitant hoch. Nächstes angesprochene Problem: Die alten Menschen würden in Zukunft auch politisch die Mehrheit stellen und die Richtung der Politik und damit ihr eigenes Wohlergehen zu Lasten der jungen Generation bestimmen.

Arbeitskräfte zur Abdeckung des Mangels aus dem Osten? "Das Reservoir kommt zum Erliegen. Dort ist die Geburtenrate noch geringer als bei uns", so Sell. Die "Rettung" für das Abendland: Algerier, Ägypter, Libyer. In deren Heimatländern gibt es Überbevölkerung.

500.000 - also eine ganze Großstadt - müssten jährlich zur Bestandserhaltung der derzeitigen Verhältnisse nach Deutschland kommen. Sell: "Menschen mit anderem religiösen und kulturellem Hintergrund, die dann auf Menschen treffen, die per se Angst vor Überfremdung haben." Lösungen, wie das Dilemma zu lösen sein wird, wurden nicht geboten.

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