Bildband über „Lost Cars“ Fotografen aus der Region zeigen fahruntüchtige Autos

Oberzissen/Köln · Theodor Barth aus Köln und Uwe Sülflohn aus Oberzissen haben eine Leidenschaft für Autos, die von ihren Besitzern und der Welt vergessen wurden. Sie haben einen Bildband mit grandiosen Aufnahmen herausgebracht.

 Eine Hommage an Automobile, die längst nicht mehr mobil sind: Das ist die Neuerscheinung „Lost Cars“ der Fotografen Theodor Barth und Uwe Sülflohn.

Eine Hommage an Automobile, die längst nicht mehr mobil sind: Das ist die Neuerscheinung „Lost Cars“ der Fotografen Theodor Barth und Uwe Sülflohn.

Foto: Theodor Barth/Uwe Suelflohn

Ein Buch, in dem Schätze gehoben werden, das ist die Neuerscheinung „Lost Cars“. Über den golden geprägten Lettern des Titels stehen in edlem Understatement klein die Namen der Fotografen Theodor Barth aus Köln und Uwe Sülflohn aus Oberzissen. Und darunter heißt es schlicht in Weiß: „Verlassen. Vergessen. Vergänglich“.

Ein Prachtband ist es geworden, eine Hommage an Automobile, die längst nicht mehr mobil sind, fahruntüchtige Fahrzeuge, verbannt aus ihrem Lebensraum. Die Straße werden die wenigsten wiedersehen, was Bedauern und Wehmut hervorrufen mag. Gut gewählt das Cover-Foto vom gelben Goggomobil Coupé TS 250 in der düsteren einbruchgefährdeten Scheune. Spontan löst es Beschützerinstinkte aus. Denn Autos haben Gesichter. „Sie schauen uns mit Scheinwerfern an, ihre Kühlergrills lächeln uns zu“, finden auch die Macher des Buchs. Und wenn nicht ein Goggo, dessen Designer bewusst mit dem Kindchenschema spielten, ans Herz rührt, welches Auto dann?

 Eingesunken im schwedischen Winterwald: Ein immer noch eindrucksvoller MG Magnette.

Eingesunken im schwedischen Winterwald: Ein immer noch eindrucksvoller MG Magnette.

Foto: Barth/Sülflohn

Blinde Scheiben und viel Mattigkeit

Doch die grandiosen Nachtaufnahmen konfrontieren mit weitaus mehr als nur einem Gefühl. Zugegeben, die aufgegebenen Wagen mit blinden Scheiben, Mattigkeit, wo einst Chrom und Lack glänzten, mit toten „Augen“, Anhaftungen von Rost und Algen, Moos und Dreck, sie stimmen melancholisch, faszinieren aber gleichwohl, erregen gar Bewunderung, da sich der Mensch in der Maschine gespiegelt sieht. Ihm erscheint ein zugemüllter Audi unterm abrutschenden Scheunendach als duldsames Objekt. Würdevoll ertragen zwei Opel Olympia ihren Zerfall unter Nadelbäumen.

 Uwe Sülflohn (l.) und Theodor Barth in Kalifornien.

Uwe Sülflohn (l.) und Theodor Barth in Kalifornien.

Foto: Privat

Dagegen arrangiert sich ein Doppelpack Käfer-Ruinen ohne Kotflügel tapfer mit Modellflugzeugen in einem trockenen Unterschlupf. Ein legendärer Porsche 356, der unbehaust zwischen chaotischem Geäst feststeckt, verzaubert geradezu mit einer wundersam silbrigen Aura. Heroen sind unter diesem Blickwinkel auch der im Dickicht gefangene Mercedes 190, zärtlich „Kleine Heckflosse“ genannt, und der ansteigend über Dämmplatten aufgebockte rote Opel GT, ausnahmsweise mit Lokalkolorit. Hinter seinem Unterstand grüßt nämlich der Kirchturm von Sankt Germanus Niederzissen.

„Das Lost Car ist Drohung und Versprechen zugleich“, schreibt der Designer und Designwissenschaftler Markus Caspers im Vorwort. Eine Drohung, weil der mögliche Plan, viel Arbeit zu investieren, vermutlich scheitern wird. Ein Versprechen, weil „aus dem Lost Car wieder ein Familienmitglied werden kann“. Das einst geschlossene Design muss der Betrachter „rekonstruieren“, so Caspers zur Magie, die von den verlorenen Schätzchen ausgeht.

Barth und Sülflohn haben zwar die Objekte ihrer Begierde nach einem Auslöser in Kalifornien innerhalb Europas etwa in verschiedenen Ecken Deutschlands, im Elsass, Lothringen und Schweden aufgetan. Fündig geworden sind sie aber auch unweit ihrer Wohnorte um Köln und im Brohltal. „Wir leben in einer Gegend, wo es viele Autoverrückte gibt“, bestätigt Fotograf Sülflohn mit Blick auf das Bergische Land und die Rhein-Sieg-Region. Ihm sind die fesselnden Texte im Buch zu verdanken.

„Zündung“, das erste von neun Kapiteln, hebt gleich mit großen Worten an, spricht von „glühender Verehrung, großem Respekt, von nicht weniger als Hochachtung, Ehrfurcht und Leidenschaft“. Es erklärt dazu unmissverständlich: „Dies ist kein Autobuch, sondern ein Bilderbuch.“

Klar doch, bei auf Optik programmierten Fotografen, die kein Lost Car würden restaurieren können. Aber – und das nimmt man in jedem Bild und jeder geschriebenen Passage wahr – sie sind durchdrungen von ihrer Liebe zu der brüchigen Ästhetik ihrer Funktion beraubter Gefährte, der oft abstrusen Auffinde-Situation und dem Anpirschen an die nicht selten versteckt stillgelegten Autos. Die großen Stars ihrer Foto-Sessions mussten sie sich oft erst erobern für ihre Schein-Erweckung.

Es gab einige Zufallsentdeckungen. Andere Male dauerte es, bis aus vagen Informationen, Andeutungen und Erkundungen Gewissheiten wurden. Zögernd entwickelten die Besitzer dann Vertrauen. Dann öffneten sie ihre Verschläge, führten zu alten Schuppen und Freiluft-Aufenthalten ihrer vorläufig oder auch dauerhaft entsorgten einstigen Beförderungskarossen. Sülflohn berichtet darüber im Krimi-Ton und macht den Leser dabei gerne zum Verschwörer.

„Lost Cars“ eröffnet demnach viele Zugänge, weil man vielfach staunend schauen kann, ohne Autokenner zu sein, außerdem die Fotokunst genießt und zusätzlich eine spannende Textfährte gelegt bekommt.

„Lost Cars – Verlassen. Vergessen. Vergänglich“ (ISBN-Nr.: 978-3-96453-048-6), 192 Seiten, rund 230 Abbildungen, ist im GeraMond Verlag erschienen und kostet 49,99 Euro.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort