Meinungsstreit um die Arbeitsplätze Mindestlohn bleibt ein Zankapfel

KREIS AHRWEILER · Hotellerie und Gastronomie klagen, die Gewerkschaft aber ist mit der Entwicklung zufrieden.

 Seit der Einführung des Mindestlohns habe sich die Situation der Beschäftigten in der Gastrobranche stark verbessert, teilt die Gewerkschafft NGG mit.

Seit der Einführung des Mindestlohns habe sich die Situation der Beschäftigten in der Gastrobranche stark verbessert, teilt die Gewerkschafft NGG mit.

Foto: NGG

. Der „8,50-Euro-Daumen“ zeigt zumindest bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) nach oben: Ein Jahr nach der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns ziehen die Arbeitnehmervertreter im Gastrobereich für den Kreis Ahrweiler eine positive Bilanz.

„Zum ersten Mal haben alle Beschäftigten einen festen Lohnsockel unter den Füßen – von der Küchenhilfe bis zur Verkäuferin im Backshop: Wer arbeitet, muss dafür mindestens 8,50 Euro pro Stunde bekommen“, so Roland Henn. Für den Geschäftsführer der NGG-Mittelrhein ist der gesetzliche Mindestlohn der „Einstieg in den Lohn-Aufstieg für Menschen, die zuvor mit Niedrigstlöhnen abgespeist wurden“.

Von „Niedrigstlöhnen“ mag Beatrix Felk vom Bad Neuenahrer Hotel Weyer nicht sprechen. Es seien schon immer angemessene Vergütungen in der Branche gezahlt worden, „weil man sonst keine guten Leute findet“. Richtig sei vielmehr, dass die Betriebe im vom Tourismus und Gastrogeschäft lebenden Ahrtal „immer mehr als den Mindestlohn gezahlt haben“.

Vom „Schreckgespenst Mindestlohn“, vor dem die Arbeitgeber auch im Kreisgebiet noch vor einem Jahr gewarnt hätten, sei nichts übrig geblieben, meint derweil die NGG: Der Mindestlohn sei weder „Konjunktur-Bremser“ noch „Job-Killer“. Die NGG legte dazu jetzt eine aktuelle „Mindestlohn-Analyse“ vor, die das Pestel-Institut (Hannover) im Auftrag der Gewerkschaft gemacht hat.

Dabei wurde auch die Beschäftigungssituation im Landkreis ausgewertet: „Anstatt Servicekräfte oder Küchenpersonal zu entlassen, haben Hotels, Pensionen, Restaurants und Gaststätten neue Kräfte eingestellt. Insgesamt arbeiteten dort im Juni vergangenen Jahres immerhin 2349 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte – und damit 3,3 Prozent mehr als noch im Vergleichsmonat des Vorjahres, als es den gesetzlichen Mindestlohn noch nicht gab“, erklärte Henn, was in einem gewissen Widerspruch zu der Meinung der Vertreter der Gastrobranche steht, die hervorheben, ohnehin stets 8,50 Euro oder mehr gezahlt zu haben.

Ohnehin kommt der örtliche Hotel- und Gaststättenverband zu völlig anderen Bewertungen als die Gewerkschaft. Marion Wenzel, Inhaberin des Ahrweiler Hotels Avenida und Dehoga-Sprecherin: „Es gibt höhere Kosten und einen Bürokratiefrust in der Gastronomie und Hotellerie.“

Nach Gewerkschaftsangaben habe der Mindestlohn indes dazu geführt, dass „etliche Arbeitgeber aus Mini-Jobs reguläre Stellen gemacht haben“. Auch die Beschäftigtenzahl insgesamt habe sich mit dem Mindestlohn durchaus positiv entwickelt: Im Sommer des vergangenen Jahres, so die NGG, habe es im Kreis Ahrweiler rund 891 Menschen mehr gegeben, die einen Job hatten, als noch im Sommer des Vorjahres.

Ganz anders dagegen lautet die Darstellung der Dehoga: „Der Mindestlohn hat die Kosten in die Höhe getrieben. Er ist Gift für unsere Investitions- und Wachstumsstärke.“ Bei 62,3 Prozent der Betriebe seien die Erträge zurückgegangen, fast die Hälfte aller Betriebe habe die Preise entsprechend erhöht, um den Mindestlohn zu finanzieren. Der Dumme ist demnach mal wieder der Kunde.

Für die Gewerkschaft ist derweil klar: „Der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde hat den Beschäftigten gut getan. Und er hat der Wirtschaft nicht geschadet.“ Im Gegenteil: Das Lohn-Plus habe dem Kreis Ahrweiler eine höhere Kaufkraft beschert, von der auch die heimische Wirtschaft profitiert habe. „Denn Beschäftigte, die den gesetzlichen Mindestlohn bekommen, haben das zusätzlich verdiente Geld nahezu eins zu eins in den Konsum gegeben“, betonte Henn.

So soll es weitergehen. Um diesen Menschen die Chance zu geben, auch Geld für größere Anschaffungen auf die hohe Kante zu legen, müsse der Mindestlohn weiter steigen: „Unser Ziel ist es, ihn möglichst rasch in einem ersten Schritt auf zehn Euro pro Stunde anzuheben“, machte der Gewerkschafter deutlich.

Für die NGG Mittelrhein sei eine Erhöhung des Mindestlohns nur konsequent. Das zeige auch eine Renten-Berechnung des Bundesarbeitsministeriums: Um eine Rente von mindestens 769 Euro pro Monat – also gerade einmal die Grundsicherung im Alter – zu bekommen, müsste ein Beschäftigter mindestens 11,50 Euro pro Stunde verdienen. Und das 45 Jahre lang bei einer Vollzeitstelle. „Der gesetzliche Mindestlohn steckt noch in den Kinderschuhen. Aber wir werden ihn groß bekommen“, ist sich NGG-Geschäftsführer Henn sicher.

Das Fazit von Marion Wenzel fällt da freilich anders aus. Von Begeisterung keine Spur: „Der Mindestlohn kommt das Gastgewerbe teuer zu stehen.“

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