Funk in der Klosterruine Wie einst bei „Rock am Ring“

MARIENTHAL · Die holländische Funkrock-Göttin und Saxofonistin Candy Dulfer begeistert mit ihrem Auftritt bei der Jubiläumsausgabe des „Internationalen Festivals Musik und Wein im Ahrtal" in Marienthal.

 Marienthal Musik und Wein Candy Dulfer

Marienthal Musik und Wein Candy Dulfer

Foto: Martin Gausmann

Irgendwie war es so, wie einst beim legendären Musikfestival „Rock am Ring“: Je tiefer der Matsch, je nasser der Regen, desto ausgelassener die Stimmung. Als die holländische Funkrock-Göttin Candy Dulfer ihr verlockend glänzendes Alt-Saxofon auspackte, luden dicke Regenwolken gerade ihren wässrigen Inhalt großzügig über dem Kloster Marienthal ab. „Ich bin zwar ein absoluter Kontrollfreak und will bei meinen Konzerten immer alles im Griff haben – aber das Wetter kann ich leider immer noch nicht beeinflussen“, bat sie die nahezu 500 Konzertbesucher in der dennoch praktisch ausverkauften Klosterruine um Nachsicht.

Zum Glück hatten die Veranstalter Paul Josten und Georg Gäb von „kleinkunstandmore“ in weiser Voraussicht Tausende durchsichtiger Plastik-Regencapes geordert und statteten damit die Besucher bei der Jubiläumsausgabe des „Internationalen Festivals Musik und Wein im Ahrtal" aus. Zum zehnten Mal bereits war die Klosterruine Marienthal Schauplatz eines mehrtägigen Musikfestivals, bei dem der leibliche Genuss nicht zu kurz kam.

„Candy is back“ hieß es bei der Rückkehr der Saxofon-Legende und ihrer Band, schließlich hatte sie schon 2014 an gleicher Stelle das Publikum zu Jubelstürmen hingerissen. Diesmal hatte sie neben einem halben Dutzend ihrer Evergreens auch einige bislang noch unveröffentlichte Songs mit im Gepäck, die auf der im September erscheinenden neuen Platte zu hören sein sollen. Die probiert sie in Marienthal live vor einem überwiegend im „besten Alter“ befindlichen Publikum aus, „denn ihr seid streng und kritisch, ehrlich, aber nicht böse“. Wenn man die Begeisterung zum Maßstab nimmt, mit der die Zuhörer bei den neuen Liedern mitgingen, muss die neue Scheibe ein Bombenerfolg werden.

Doch vor der CD-Veröffentlichung genoss sie noch einmal das schöne Tourleben „mit Leuten wie euch“, wie sie dem neuen, sehr tanzbaren Stück „Promises“ vorwegschickte, das ähnlich wie zuvor schon „Disco“ an die große Zeit der groovigen Musikclubs und dampfenden Diskotheken erinnerte.

Den bekannten Stücken tat eine funkige Frischzellenkur ebenfalls gut. Etwa bei ihrem Megahit „Lily was here“, komponiert von „Eurythmics“-Kopf Dave Steward, der eigentlich einen leidenschaftlichen Dialog zwischen Saxofon und Gitarre darstellt. Diesmal hielt Gitarrist Ulco Bed seine Fender Stratocaster – anders als später beim bluesigen „Lost and Gone“ – brav im Zaum und ließ dem rasiermesserscharfen Candy-Saxofon den Vortritt.

Doch plötzlich mischt sich auch der urig-relaxte Sänger und Keyboarder Chance Howard mit ein und holte das Stück auf Easy-Listening-Smooth-Funk-Format zurück. Beim gar nicht mehr enden wollenden „Sax a Gogo“ – dem „Lied meines Lebens“, so Dulfer – steuerte Howard ebenfalls eine packende „Funky Cloud“ bei, auf der Musiker und Publikum gemeinsam in rhythmischer Ekstase davonschwebten. Einige Dutzend Mal formten anschließend sämtliche Fans begeistert mit ihren Händen die Buchstaben C, O, O und L zum Wörtchen „Cool“, denn so hieß das nächste in die Beine fahrende Stück.

Die modernen Zeiten machen auch vor der alterslosen Candy Dulfer nicht halt, denn am Ende verlieh sie ihrer Stimme mit einem Vocoder einen trashig-sexy Roboter-Klang und ließ das Publikum mit „California Love“ und „No Diggity“ rhythmisch atemlos auf Wolke sieben zurück.

Ein Glück, dass das Dach der ehemaligen Klosterkirche schon seit knapp zwei Jahrhunderten fehlt, sonst wäre es bei diesem fulminanten Auftritt bestimmt weggeflogen.

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