Freiwillige Feuerwehr hat immer mehr Aufgaben Wehr im Kreis Ahrweiler wirbt um Migranten

KREIS AHRWEILER · Nicht erst seit den Starkregen 2016 weiß wohl jeder, dass die Feuerwehren viel mehr tun als Brände löschen. Die Aufgaben werden immer zahlreicher. „Wir müssen uns breiter aufstellen“, sagt Kreisfeuerwehrinspekteur Udo Schumacher.

Die Unwetter im vergangenen Jahr haben die Feuerwehren in der Kreisstadt „an die Grenzen des Machbaren gebracht“, erklärt Stadtwehrleiter Marcus Mandt. Nicht erst seit den Starkregen 2016 weiß wohl jeder, dass die Feuerwehren viel mehr tun als Brände löschen. Sie sind bei Hochwasser genauso zur Stelle wie bei technischen Hilfeleistungen, beim ICE-Unfall im Bahnhof Sinzig, bei der Bombenentschärfung in Ahrweiler oder bei Großereignissen wie Rhein in Flammen. Was ist aber, wenn die „Grenze des Machbaren“ für die Wehren im Kreis Ahrweiler überschritten ist?

Mit aktuell 2104 Aktiven in den 94 Wehren im Kreis Ahrweiler und einer „starken Anzahl“ von 328 Angehörigen der Jugendfeuerwehren seien personell bislang keine Einbrüche zu verzeichnen, sagt Kreisfeuerwehrinspekteur (KFI) Udo Schumacher: „Bei der Zahl der Einsätze ist das eine andere Geschichte. Es ist schwer, das Aufgabenpaket noch ehrenamtlich zu meistern.“ Bei den Einsätzen sei in den vergangenen fünf bis sechs Jahren eine Steigerung um 30 bis 40 Prozent zu verzeichnen. Ein Grund sei der Anschluss der Kreisfeuerwehren an die Integrierte Leitstelle (ILS) Koblenz, wo Notrufe an Rettungsdienst und Feuerwehr zentral gemanagt werden und ein Disponent die Erstalarmierung veranlasst.

Zahl der Fehlalarme steigt

Häufig helfen die Feuerwehren, wenn etwa die Rettungsdienste Probleme haben, zu einem Patienten in die Wohnung zu gelangen. Ein zweiter Grund seien Veränderungen bei der Kommunikation: Wer etwa im Café sitze und irgendwo Rauchentwicklung sehe, greife schneller zum Handy und gebe eine Meldung durch, ohne vielleicht wirklich die Rauchursache zu sehen. Das führe auch zu mehr Fehlalarmen, zu denen die Wehrkameraden ausrücken.

Ein dritter Grund ist laut Schumacher der vorbeugende Brandschutz: Zum einen seien mehr Firmen mit Brandmeldeanlagen ausgerüstet, zum anderen gebe es auch mehr Rauchmelder in Privathaushalten. Wenn es nebenan piepse, rufe der Nachbar oft sofort die 112 an. Andererseits betont der KFI ausdrücklich den Nutzen solcher Meldeanlagen. Dazu kommen Brandstiftungen wie auch das Entzünden von Strohballen. „Sowas brauchen wir nicht auch noch“, sagt Schumacher. Was ihn mindestens so sehr erzürnt, sind Behinderungen der Wehr etwa durch Autofahrer, die keine Rettungsgasse bilden, durch Gaffer und Handyfotografen oder -filmer an der Einsatzstelle sowie Beleidigungen gegenüber den Einsatzkräften durch Umstehende.

„Um die Tagesalarmsicherheit zu gewährleisten, bilden wir Ausrückgemeinschaften“, sagt der KFI. Es werden nicht nur örtliche, sondern zusätzlich zwei weitere Wehren gleichzeitig alarmiert. Auch auf den Dörfern werde immer gleich eine „große Feuerwehr“ mit rausgeschickt. Durch mehr Aufgaben insgesamt würden daher vor allem die großen Wehren stärker belastet.

Hoffen auf hauptberufliche Wehrleiter und Gerätewarte bis 2025

Stadtwehrleiter Marcus Mandt hat errechnet, dass „seine“ knapp 200 Wehrleute aus Bad Neuenahr-Ahrweiler im vergangenen Jahr 843 (Vorjahr: 609) Einsatzstunden in 425 Einsätzen (inklusive rund 100 wegen der Juni-Unwetter; Vorjahr: 320) geleistet haben und hofft, dass die zwei Jahrhundert-Unwetter innerhalb von drei Tagen ein „einmaliger Stresstest“ bleiben. Zusammen mit den Übungen sei in 2016 für seine Wehr „fast jeden Tag Feuerwehr“ gewesen.

„Die Lage wird nicht einfacher werden“, blickt Schumacher voraus. Er sieht derzeit keine Möglichkeit, Aufgabengebiet oder Einsatzzahl zu verringern. Weniger geworden seien nur Einsätze wegen der Beseitigung von Ölspuren oder von Wespennestern, die jetzt die Straßenbaubehörden respektive Fachfirmen übernähmen

Woanders gebe es bei den Wehren schon Wehrleiter und Gerätewarte, die hauptberuflich arbeiten. Vielleicht gelte das bis 2025 auch für den Kreisfeuerwehrinspekteur im Kreis Ahrweiler. Bis dahin soll die Organisation der Integrierten Leitstellen abgeschlossen und ihre Zahl in Rheinland-Pfalz von acht auf fünf reduziert werden. Angehoben werde die „Einsatzgrundzeit“, also die Zeit, die eine Feuerwehr von der Alarmierung bis zum Erreichen der Einsatzstelle benötige: von acht auf zehn Minuten. Das sei aber de facto schon jetzt nicht zu schaffen, etwa wenn man mit großen Einsatzfahrzeugen Richtung Meckenheimer Kreuz ausrücke. „Wir müssen uns breiter aufstellen“, sagt der KFI mit Blick nach vorn. Das bedeute auch das Werben um mehr junge Leute sowie um Handwerker, Familienväter oder Menschen mit Migrationshintergrund.

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