Holocaust-Gedenktag Paul Rosner ließ erst seine Geige sprechen

AHRWEILER · Dass es sich um ein Konzert im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus handelte, war nicht auf den ersten Blick ersichtlich. "Von Bach zur Moderne" war der Nachmittag in der ehemaligen Ahrweiler Synagoge zum 69. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee überschrieben.

 Paul Rosner erläuterte seinen Heimatbegriff.

Paul Rosner erläuterte seinen Heimatbegriff.

Foto: Martin Gausmann

Der Geiger Paul Rosner, der aus Czernowitz/Ukraine stammt und in Düsseldorf lebt, spielte Werke von Johann Sebastian Bach und Heinrich Biber sowie von dem zeitgenössischen Komponisten Oskar Gottlieb Blarr, der selbst anwesend war und kurz zu seinem Stück und aus seinem Leben sprach.

Die Ahrweiler Synagoge erinnere ihn an die etwa gleichgroße in seinem Geburtstort in Ostpreußen, von wo er im Zweiten Weltkrieg geflohen war: "Nach dem Krieg war die Synagoge nicht mehr da, nur noch ein leerer Platz", erinnerte sich Blarr. "Und als ich vor wenigen Jahren noch einmal da war, waren die von den Nazis eingeschlagenen Grabplatten auf dem Friedhof gegenüber weg."

Seine Komposition "Ringela - Das Zigeunermädchen vom Heine-Feld" entstand zu Werken von Otto Pankow über ein Zigeunermädchen, das deportiert und getötet wurde.

"Ich habe ein Bild versucht auszudrücken in musikalischer Passion", sagte der 79-Jährige. Dass der Geiger bei der Interpretation mitten in den im Kreis aufgestellten Notenständern stand und sich beim Spiel drehte, war Absicht. Es symbolisierte den Ring gemäß dem Namen des Mädchens Ringela, aber auch das Umzingelt- und Gefangensein, die Unentrinnbarkeit des Schicksals.

Rosner stellte sich auch den Fragen Klaus Liewalds vom veranstaltenden Bürgerverein Synagoge. Der 65-Jährige beschrieb seinen musikalischen Werdegang und erzählte von seinem berühmten Großonkel, dem Tenor Joseph Schmidt. Er berichtete aber auch von der Deportation seiner Eltern, die aber vom Tod im Lager verschont blieben, und von der unzureichenden Aufarbeitung des Zweiten Weltkriegs:

"Unsere Eltern haben uns davon erzählt, aber wir mussten schweigen, denn das Regime ging ja weiter." 1973 gelang die gemeinsame Flucht aus der Bukowina, die wechselweise zu Russland, Rumänien und der Ukraine gehörte. "Was würden Sie als Ihre Heimat bezeichnen?", fragte ein Zuhörer. "Das ist für mich nicht so wichtig", antwortete Rosner: "Überall wo ich Leute treffe, mit denen ich mich verstehe und gute Musik höre, fühle ich mich Zuhause."

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