Einbürgerung in Bad Neuenahr Mit 92 den deutschen Pass beantragt

KREISSTADT · Die Briten Vera und Bruce Venour haben sich im hohen Alter einbürgern lassen und leben in Bad Neuenahr. Die Entscheidung fiel nach dem Brexit.

 AW Kreis Einbürgerungsfeier Ehepaar Venour, Tel. 25120

AW Kreis Einbürgerungsfeier Ehepaar Venour, Tel. 25120

Foto: Martin Gausmann

Immer wieder ist er in seinem 92-jährigen Leben zwischen Deutschland und England hin- und hergezogen. Seit März 2008 wohnen der frühere britische Artillerieoffizier Bruce und seine acht Jahre jüngere Frau Vera Venour in Bad Neuenahr, und seit vergangener Woche haben sie neben der britischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Und das hat nicht nur, aber auch mit dem Brexit zu tun. Denn Vera hatte sich schon vor dem Votum der Briten für den EU-Austritt im Juni entschieden, sich um einen deutschen Pass zu bewerben, „weil mir jemand sagte, dass jetzt möglich ist, was früher nicht ging: die doppelte Staatsbürgerschaft“.

Schließlich ist Vera Venour als Kind deutscher Eltern 1931 in Osnabrück geboren und aufgewachsen, wurde aber nach der Hochzeit 1953 britische Staatsbürgerin. Ihr Mann Bruce, als Sohn eines britischen Militärangehörigen 1923 in Köln geboren, entschied sich nach der Brexit-Abstimmung, ebenfalls einen Antrag zu stellen: auch wegen der drei Kinder, die in London, Spanien und Kenia leben und die sie regelmäßig besuchen. Schlimm fänden sie, „wenn auf einmal Visa beantragt werden müssen, damit wir uns sehen können“, sagen Vera und Bruce Venour. Angst haben sie auch, dass ihre Gesundheitsversorgung nicht mehr gesichert ist, wenn Großbritannien wegen des Austritts aus der EU entsprechende Gesetze beschlösse.

Alles Gründe, weshalb sie den Brexit als „großen Fehler“ werten und die bevorstehenden Verhandlungen darüber genau verfolgen werden. Auch wenn sie sich in Bad Neuenahr längst „absolut zu Hause“ fühlen. Dabei waren sie nie in der Gegend gewesen, bevor Veras Schwester, die in Aachen wohnt, ihnen davon erzählte. Vorher hatten sie seit 1965 ein Eigenheim in der Grafschaft Sussex ganz im Süden Englands. Doch das große Haus und der große Garten wurden ihnen zu viel. Weil sie in England keine Wohnung mit Aufzug fanden, suchten sie in Deutschland. Erst wohnten sie in einem Seniorenheim in der Kreisstadt zur Probe. „Während dieser Zeit meinte jemand zu uns: Ihr seid doch noch so rüstig, ihr könnt doch noch privat wohnen“. Gesagt, getan.

Nicht nur Zuhause, sondern auch Heimat ist für sie jetzt Bad Neuenahr, das sie von Anfang an „wunderschön“ fanden. „Wir leben sehr gerne hier“, erklären die Venours. Das liege vor allem an der Art der Menschen, ihrer großen Lebensfreude und Offenheit. „Und vielleicht auch daran, dass man hier mehr Wein trinkt als Bier. Weintrinker sind fröhlicher als Biertrinker, wie es sie in Norddeutschland oder England gibt“, erklären sie schmunzelnd. Auch Vera und Bruce Venour trinken gerne Wein. Außerdem fanden sie die Kreisstadt habe eine„schöne Größe“: Zwar kenne nicht jeder jeden, aber trotzdem sei sie überschaubar und der Verkehr nicht hektisch. Kennengelernt haben sich die Venours in Osnabrück, wo er stationiert war und sie nach der Schulzeit bei den britischen Streitkräften als Bibliothekarin arbeitete. „Ein Jahr lang wurden wir von meiner Mutter mit Argusaugen beobachtet“, berichte Vera Venour. Dann wurde der Artillerieoffizier zur britischen Navy versetzt, auf einen Flugzeugträger im Koreakrieg. Währenddessen ging sie nach England und begann eine Ausbildung zur Krankenschwester. Aber von Heirat war erst die Rede, nachdem er wieder zurückgekehrt war. Schon ein Jahr nach der Hochzeit ging das Paar zusammen nach Malta, wohin er später auch noch einmal versetzt wurde.

Ansonsten wechselte ihr Aufenthalts- und Wohnort immer wieder zwischen England und Deutschland, wo sie unter anderem in Münster lebten. Das Meer, das von ihrem Haus ganz im Süden Englands nicht weit weg war, vermissen sie in Bad Neuenahr weniger als die Berge. Denn gerne sind sie immer in das Allgäu und in die Alpen gefahren. Heute blicken sie aus ihrer Wohnung in Bad Neuenahr unter anderem auf den Neuenahrer Berg: „Der ist auch nicht niedrig. Heute schaffen wir den kaum mehr.“ Früher sind sie auch jedes Jahr nach England gefahren. Heute kommen die Kinder und Enkelkinder eher zu ihnen. „Wir führen ein friedliches, ruhiges Leben“, sagen sie. Obwohl Bad Neuenahrer fühlten sie sich von Anfang an mit Sankt Laurentius Ahrweiler verbunden. Das Kircheninnere und die lebendige Gemeinde dort haben es ihnen angetan.

Und wie ist es jetzt, den deutschen Pass zu haben? „Eigentlich wie vorher“, sagt Bruce Venour, der nach eigenen Angaben als Berufssoldat die Deutschen persönlich nie als Feinde gesehen habe und Mitleid hatte, wie zerbombt alles war, als er nach dem Zweiten Weltkrieg erstmals nach Deutschland kam. Der 92-Jährige war der älteste der 13 Menschen unterschiedlicher Herkunft aus dem Kreis Ahrweiler, denen Landrat Jürgen Pföhler bei der Einbürgerungsfeier die entsprechende Urkunde überreicht hat (der GA berichtete). Und er hat so engagiert und vital die deutsche Nationalhymne gesungen, dass ihn sogar einige darauf angesprochen haben.

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