Diskussion in Bad Neuenahr Lebhafte Debatte über Migration

Bad Neuenahr · Mit dem Thema „Flucht und Migration im Zeitalter der Globalisierung“ beschäftigte sich am Montagabend eine Podiumsdiskussion im Rathaus der Kreisstadt. Eingeladen hatte die Sektion Bad Neuenahr der Gesellschaft für Sicherheitspolitik.

 Podium im Rathaus von Bad Neuenahr-Ahrweiler: (von links) Thomas Jäger, Bärbel Dieckmann und Kersten Lahl.

Podium im Rathaus von Bad Neuenahr-Ahrweiler: (von links) Thomas Jäger, Bärbel Dieckmann und Kersten Lahl.

Foto: Martin Gausmann

Zu der Veranstaltung im Rahmen der Ahrweiler Freiheitswochen waren rund 100 Bürger gekommen.

Sie bekamen deutliche Worte zu hören, nachdem der frühere militärische Adjutant bei Bundespräsident Richard von Weizsäcker, Generalleutnant a.D. Kersten Lahl, dem Auditorium klar gemacht hatte, dass es keineswegs ein heiterer Abend werden würde. Ihm standen auf dem Podium die Präsidentin der Welthungerhilfe und frühere Bonner Oberbürgermeisterin, Bärbel Dieckmann, sowie der Politikprofessor an der Universität Köln, Thomas Jäger, als Gesprächspartner zur Seite.

Bürgermeister Guido Orthen als Hausherr machte schon bei der Begrüßung klar, dass sich der reiche nördliche Teil der Welt nach dem einstmals als Nord-Süd-Konflikt bezeichneten Ungleichgewicht in der Welt nicht oder nur unzureichend um einen Ausgleich gekümmert habe. „Außenpolitik war und ist bestimmt von geostrategischen Überlegungen und von der Frage nach dem wirtschaftlichen Nutzen“, stach Orthen gleich in ein Wespennest und sprach Bärbel Dieckmann aus der Seele.

Dass Flucht und Migration seit Jahrtausenden die Menschheitsgeschichte bestimmen, machte Kersten Lahl klar. Er sprach Perspektiven an, mit denen man sich an diesem Abend nicht beschäftigen wolle: die Bewältigung der Flüchtlingsfrage oder die Kontrolle der Fluchtbewegung. Vielmehr machte er die Suche nach den Fluchtursachen zum Thema des Abends. Es gelte, Fluchtmotive zu verstehen und ihnen zu begegnen. Inwiefern treibt es Menschen in Not dazu, andernorts ihre Zukunft zu suchen? Wie kann diese Entwicklung vor Ort gestoppt werden? Welche Rolle spielt die Globalisierung als Migrationstreiber? Wie kann dem Staatsverfall als Fluchtgrund begegnet werden? Man wolle zumindest zum Nachdenken anregen, gab der General als Ziel aus.

Bärbel Dieckmann referierte zunächst über die Arbeit der Welthungerhilfe und nannte Fakten: 65 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht, zwölf Prozent der Menschheit leben in Armut und Hunger. Eine der Ursachen gerade in Afrika: die Globalisierung, verbunden mit der falschen Politik der reichen Länder und der Folge, das nicht die afrikanischen Staaten, sondern andere Länder die Gewinner in Afrika sind. Wachsende Ungerechtigkeiten und Verteilungsungerechtigkeiten gehen damit einher. Es entstehen fragile Staaten ohne wirkliche Führung oder aber mit Alleinherrschern an der Spitze, die keinerlei Interesse an ihrer Bevölkerung haben. Folgen sind Kriege und Flucht.

Dieckmann stellte klare Forderungen auf: Kampf dem Klimawandel, gegen ungerechte Handelsbedingungen und Steuersysteme. Die jüngste Flüchtlingskrise müsse in Europa zum Umdenken führen.

Die Zeichen der drohenden Flüchtlingswelle habe man früh erkannt, betonte Thomas Jäger. „Das Problem aber war eine politische Reaktion nach der Erkennung der Zeichen, sowohl in Europa, als auch bei den Vereinten Nationen. Der politische Wille fehlte“, so die Vorwürfe. Es habe dabei weder an Geld noch an Konzepten gefehlt, so der Professor. Dieckmann entgegnete, es gebe schon Reaktionen, und sie verwies auf die Nachhaltigkeitsziele, deren Umsetzung sämtliche Staaten unterzeichneten. Den Willen zur Umsetzung sieht die Dieckmann allerdings noch lange nicht überall. Jäger ging einen Schritt weiter, sprach vom heutigen Fehlen einer stabilen Ordnung und dem Weg in eine andere Welt, auf der sich die Menschheit befinde. In vielen Staaten herrsche ein von den Eliten der Länder geprägter Nationalegoismus vor.

Dieckmann widersprach entschieden und machte deutlich, dass es vielerorts in Ländern wirtschaftlich geprägte Schichten gebe, die sich für die Gesellschaft verantwortlich fühlten. Sie forderte ein Umdenken der Industriestaaten. So seien deren Handelsbeziehungen untereinander keine Lösung für die Entwicklungsländer. „Regeln werden von Staaten nicht eingehalten, das Ganze läuft aus dem Ruder“, sieht Jäger dagegen mittlerweile unlösbare Probleme. Zu denen geselle sich auch noch die Überbevölkerung, bemerkte ein Gast aus dem inzwischen an der Diskussion beteiligten Publikum. Diesem Problem könne man nur mit wachsender Bildung, „vor allem unter den Frauen entgegentreten“, so Bärbel Dieckmann, die Jäger Hoffnungslosigkeit unterstellte, selbst aber Möglichkeiten zur Lösung der Probleme sieht.

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