Weißer Turm in Ahrweiler Die Tage für den Kiosk sind gezählt

AHRWEILER · "Die Billigläden machen die Altstadt kaputt." Rita Lauter ist als "Ahrweiler Kehrmädchen" in der Bütt wegen ihrer deutlichen Worte durchaus gefürchtet. Es ist kurz nach 9 Uhr am Morgen. Sie gibt sich mit der halben Oberhut beim "Schorsch" die Klinke in die Hand.

 Der Turm von Sankt Laurentius spiegelt sich im Schaufenster während Elsbeth Hauger (links) und Rita Lauter Altstadt-News austauschen und Hans-Georg Hauger den Zeitungsständer vor dem Kiosk gegenüber dem Stadtmuseum Weißer Turm bestückt.

Der Turm von Sankt Laurentius spiegelt sich im Schaufenster während Elsbeth Hauger (links) und Rita Lauter Altstadt-News austauschen und Hans-Georg Hauger den Zeitungsständer vor dem Kiosk gegenüber dem Stadtmuseum Weißer Turm bestückt.

Foto: Günther Schmitt

"Schorsch", das ist Hans-Georg Hauger. Mit Ehefrau Elsbeth betreibt der 69-Jährige den Kiosk an der Altenbaustraße, direkt am Stadtmuseum. Noch. Denn Montag ist der letzte Tag des Kiosks, in dem es von frischen Brötchen bis zur Ansichtskarte, von der Tageszeitung bis zum Wein für den Feierabend fast alles gibt, was man/frau so für nebenher braucht. Und wenn es die 85 000 Euro sind, die da schon mal im Lotto gewonnen wurden.

"Das erfahren wir normalerweise nicht", sagt Hauger und grüßt von der Bank vor seinem Schaufenster aus jeden, der vorbeifährt oder -geht. Wobei es traditionell in der Altstadt für den gebürtigen Kölner, den es vor 44 Jahre an die Ahr verschlug, kein Sie gibt. "Schad', dat Du ophürst", sagt denn auch Bernd Koll. Der ehemalige Marktmeister der Kreisstadt ist Nachbar und hat sich gerade mit Brötchen eingedeckt.

"Irgendwann müssen wir aber aufhören", kommt es von Elsbeth Hauger. "Ich würd' ja gern noch 20 Jahre, aber nächstes Jahr werd' ich 70. Das muss reichen", ergänzt ihr Mann, der mehr als 30 Jahre lang große Supermärkte im Rheinland gemanagt hat. "Der Kiosk war so etwas wie der Traum vom eigenen Laden. Mit engem Kontakt zu Kunden, die schnell zu Freunden wurden."

Gespräche, Lachen und Probleme lösen zwischen Marlboro und Frauenzeitschrift, Le Monde, New York Times und General-Anzeiger, das ist es, was die Haugers lieben und leben. "Manchmal muss man da auch Psychologe sein", sagt Hauger und denkt darüber nach, ob er dem Tipp eines Freundes folgen soll: "Häng doch ab nächsten Dienstag ein Schild mit 'Praxis geschlossen' ins Schaufenster."

Indes läuft Rita Lauter, die im Ortsbeirat über viele Jahre "fürchterlich gern Politik und jetzt der Jugend Platz gemacht hat", zur Höchstform auf: "Kleine Läden schließen, Nachfolger werden nicht gefunden und sonntags wird in den Fußgängerzonen nur Ramsch verkauft. So stirbt die Stadt."

Das ganze Viertel werde die Haugers vermissen, sagt das "Kehrmädchen" und Hauger bestätigt, dass sich bislang kein Interessent gemeldet hat, der mit "Herzblut einsteigen würde". Die Lotto-Lizenz ist jedenfalls mit der Kiosk-Schließung abgelaufen.

"Auch weil die Koblenzer sowieso 60 Annahmestellen in ihrem Bereich dicht machen wollen", sagt Hauger, der seit vier Jahren die Tipp-Zettel mit Ausnahmegenehmigung annimmt. "Bei Lotto ist mit 65 Jahren normalerweise Schluss, aber vielleicht war ich so gut, so nett oder irgendwas anderes, aber das ist jetzt auch rum."

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