Konzert in der Klosterruine Marienthal Die „Feuersteins“ beim Marienthaler Lichterabend

MARIENTHAL · Die aus Bochum stammenden „Feuersteins“ bescherten ihrem Publikum beim Marienthaler Lichterabend ein Wechselbad der Gefühle. Sie spielten traurige Stücke, aber auch Bluegrass und fröhliche Country-Songs.

 Marienthaler Lichterabend: Die Feuersteins in der Klosterruine.

Marienthaler Lichterabend: Die Feuersteins in der Klosterruine.

Foto: Martin Gausmann

Zuweilen ist Gänsehaut angesagt gewesen. Nicht weil der Einbruch der Nacht Kühle ins alte Kirchenschiff einziehen ließ, sondern weil die Worte frösteln machten. „Tief unten in den Nächten, da ist es traurig bang. Tief unten in den Schächten, da tönt’s wie Grabgesang“, sang Emily Feuerstein zum Auftakt des diesjährigen Marienthaler Lichterabends einen Text des Arbeiterdichters und Bergmanns Heinrich Kämpchen, während die Blicke manchen Zuhörers beklommen die hohen Mauern der oben offenen Ruine hochglitten.

Aber der bewegendste Moment des Konzerts der „Feuersteins“ kam erst noch. Wohl jeder kaufte es der jungen Frau sofort ab, als die vier Akteure zu einer Trauermelodie ein altes Bergmannslied über Leid und Elend derer, die einst unter Tage arbeiteten, und ihrer Familien anstimmte: „Mein Vater war Bergmann, und ich bin sein Sohn. Mit Kummer und Sorgen, so wurde ich groß.“ Doch längst nicht nur in ihre Heimat, den Ruhrpott, ging es mit den aus Bochum stammenden „Feuersteins“. Und sie spielten auch nicht nur traurige Musik. Im Gegenteil: Schon im zweiten Stück des Abends, dem fast poppigen „Viel zu viel ist nicht genug“, war von der „Prise Glück“ in einer „Nacht, die nicht aufhören will“, die Rede. Und den dritten Song „It's just you“ nahm das Publikum sofort den wiegenden Rhythmus auf und jubelte danach.

Überhaupt schienen die Zuhörer in Stimmung für Bluegrass und Country-Songs. Diese entlockten ihnen nicht nur regelmäßig begeisterten Beifall, sondern vereinzelt auch ein bestätigendes „Yee-Haw“ in Cowboymanier. Vater Guntmar Feuerstein (Gesang, Mandoline, Banjo und diverse Gitarren) und Tochter Emily Feuerstein (Gesang, E-Piano) sowie Jonna Wilms (Fiddel) und Dirk Neuhoff (Kontrabass) geleiteten musikalisch genauso ins Amerika des 19. und 20. Jahrhunderts sowie nach Irland oder Schottland. Songs auf Deutsch und auf Englisch, Balladen, Folk und deutsche Volkslieder, Countrymusik, Jigs und Reels gehörten zu ihrem Programm an diesem lauen Sommerabend.

Darunter waren eigene Kompositionen zu mehr oder weniger bekannten Texten, eigene Versionen von Liedern wie etwa des deutschen Folk-Duos Zupfgeigenhansel („Neue Liebe, neues Leben), des U.S.-Trios Nickel Creek („The fox“) oder von Country-Sängerin Dolly Parton („Apple Jack“). Kein „Feuerstein“-Konzert ohne Goethe („Neue Liebe, neues Leben“) und ohne Bob Dylan („Wagon Wheel“), erklärten sie.

Lebenslust fand genauso Ausdruck wie Melancholie. „Es geht immer um gute Melodien“, sagt Guntmar Feuerstein. Vor allem mit ihren vielschichtigen und mitreißenden Arrangements, aber auch mit Texten zum Hinhören überzeugten seine Mitstreiter und er. Das Publikum lauschte interessiert jeder Textzeile, sang etwa zu „Oh Susanna“ aber auch kräftig mit und nahm den Takt der Musik in seinen Bewegungen auf, allerdings eher im Sitzen. Nur ein Paar wagte gegen Konzertende sogar eine Tanzeinlage vor der Bühne.

Vater und Tochter wechselten sich mit dem Leadgesang ab oder sangen zusammen. Über die Köpfen der Zuhörer flatterten Fledermäuse. Eine trällernde Amsel, die übers Kirchenschiff flog, hatte gleichsam gemeinsam mit Lichterabend-Organsiator Friedhelm Pankowksi den Startschuss gegeben und stimmte auch zum atmosphärisch dichten „Pulse“ wieder ein. Ein pochender Rhythmus hatte den Abend eröffnet, die monoton pochenden Schläge eines Metronoms, die das Verrinnen der Zeit symbolisierten, beendete ihn. Doch schon allein die Tatsache, dass die meisten Zuhörer blieben, um auch noch einer dritten Zugabe zu lauschen, zeigte, dass sie die Zeit mit den Feuersteins nicht als vertane Zeit gewertet haben dürften.

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