Heilsgeschichte von Peter Bell Krippe in Kempenich hat Lokalkolorit

KEMPENICH. · In Kempenich wird die Heilsgeschichte von Peter Bell immer wieder neu inszeniert. Der 69-Jährige kümmert sich seit Jahrzehnten um den Aufbau der Krippe in der Pfarrkirche Sankt Philippus und Jakobus.

 Die Krippe in der Kempenicher Pfarrkirche zeichnet sich durch Lokalkolorit aus. Sie zeigt Häuser aus dem Kirchspiel, die es heute nicht mehr gibt.

Die Krippe in der Kempenicher Pfarrkirche zeichnet sich durch Lokalkolorit aus. Sie zeigt Häuser aus dem Kirchspiel, die es heute nicht mehr gibt.

Foto: Hildegard Ginzler

Kurz vor Weihnachten ging Peter Bell ans Werk. „Mit der Unterstützung von zwei, drei Leuten brauche ich gute drei Tage“. Alle Jahre wieder will die Krippe aufgebaut sein, fassbare Darstellung der Geburt Christi. Keine Kleinigkeit in der katholischen Pfarrkirche Sankt Philippus und Jakobus in Kempenich, wo der General-Anzeiger Bell schon vorab getroffen hat. Denn der 69-Jährige weiß viel zu erzählen von all den Krippen, die dort bereits standen, von wechselnden Einstellungen gegenüber dem inszenierten Bibelgeschehen, verschiedenen Standorten, von „Maria und Josef aus dem Schutt“ und den drei Plätzen, wo separat Moos, Gebäude und Figuren darauf harren, vereinigt zu werden.

Man hat den Eindruck, Bell ist auch ohne Besucher im Dialog. Er kennt jedes Detail der geschichtsträchtigen Kirche und sie scheint zu ihm zu sprechen mit ihrer ganzen Ausstattung. Von klein auf ist sie dem gebürtigen Kempenicher vertraut. 13 Jahre jung, trat er bereits sein Küsteramt an, das er, nur unterbrochen von seiner Lehre als Schmied und Schlosser, bis heute äußerst engagiert ausübt. Auf ungläubiges Staunen hin erklärt er: „Ich hatte schon zwei jugendliche Vorläufer, wir waren damals Obermessdiener“. In seinem vierten oder fünften Küster-Jahr übertrug Pfarrer Edwin Zieroff ihm auch die Krippenaufstellung. Und dabei ist es geblieben. Dieser Tage stemmte Bell die Aufgabe „mit der Hilfe meines Schwagers, meiner Frau, meines Sohnes. Falls notwendig, spreche ich auch ältere Messdiener an“.

Bell zeigt, wo er in den 1950ern als kleiner Junge das Szenario wohl am intensivsten erlebte. „Man hat früher großen Aufwand betrieben. Die Krippe zog sich drei mal sechs Meter über den ganzen Seitenbereich vor dem Marienaltar. Davor war eine Kniebank. Wir Kinder wurden nicht damit fertig, uns alles anzuschauen, weil es so viel zu bestaunen gab.“ Ein Schwarz-Weiß-Foto gibt die figurenreiche, opulente Anlage wieder mit jüdischem Tempel und Häusern in Jerusalem und einem über sich hinauswachsenden Gebirge, das schließlich selbst den Marienaltar überstieg und vollends verdeckte.

Altar war ein Dorn im Auge

1961 beschied der neue Pastor Walter Helmes dem Kinderglück ein Ende. „Er war ein radikaler Erneuerer, wollte die ganze Kirche umgestalten, die Krippe abschaffen. Der neugotische Hauptaltar war ihm ein Dorn im Auge. Er fürchtete, die oberen Kreuzigungsfiguren würden ihm auf den Kopf fallen. Dabei konnte er bald durch das Zweite Vatikanische Konzil am Zelebrationsaltar mit dem Gesicht zum Volk die Messe lesen.“ Drei Jahre hielt sich der unbeliebte Geistliche in Kempenich. „Dann ist er nach Saarlouis gegangen und hat dort direkt eine Betonkirche gebaut“, sagt Bell.

Mit Pfarrer Zieroff (ab 1964) durfte in Kempenich die Geburt Jesu wieder anschaulich werden. Aber die Krippe, nun mit bekleideten Figuren, verkleinerte sich nicht nur beträchtlich, sie rückte auch vor den Zelebrationsaltar. Das ursprüngliche Personal, bemalte Gips- und Keramikgestalten, ging verloren. Doch, o Wunder, immerhin Maria, Josef und zwei Hirten tauchten wieder auf. Ihr Spender, der sie lange beherbergt hatte, gab an, sie auf dem Schutt entdeckt zu haben, wo man die Figuren abgekippt hätte.

In den 1970ern oder 80ern zog die Krippe erneut um, diesmal vor die Säule rechts des Chors. „Damals hat man die gewandeten Figuren eingehandelt in die mit 40 Zentimetern nächst größeren, zunächst noch ohne Heilige Drei Könige. Die hat die Frauengemeinschaft dann gestiftet“, weiß Bell. Essenzielles beigesteuert hat Krippenfreund Pater Egon Wagner von den Arnsteiner Patres, Pfarrer in Kempenich von 1986 bis 2004. Er fand einen eigenen Weg, um den Menschen seines Pfarrsprengels die gnadenbringende Weihnacht recht nah zu bringen. Sukzessive schuf er mit handwerklichem Geschick Nachbildungen von Häusern der Pfarrgemeinde Sankt Philippus und Jakobus, zu der neben dem Pfarrort Kempenich die Filialgemeinden Engeln, Hannebach, Heulingshof, Hohenleimbach, Lederbach und Spessart gehören. Daher führt nun der Küster im Pfarrhof die Außentreppe hinauf zu einem der Krippendepots.

„Ich habe nicht einen schönen Raum, sondern drei Stellen, wo ich mir das zusammensuchen muss, das macht keinen Spaß“, lässt der einsatzfreudige „Küster Peter“ spüren, dass auch seine Geduld Grenzen hat. Unterm Dach sind sie versammelt, hübsche traditionelle Bauten, die in Pappe und bemalt lokale Zustände konservieren. „Pumpe Ernsts“ Kempenicher Fachwerkhaus auf einem gemauerten Sockel steht im Original nicht mehr. Die Gemeinde ließ es abreißen und an seiner Stelle den Dorfplatz errichten.

Material aus dem angrenzenden Pfarrhof

Vom Eck-Bauernhof in Spessart blieb nur das Wohnhaus bestehen. Das einst strohgedeckte Hannebacher Haus wurde verändert. Es gibt ein Modellhäuschen aus Engeln, ein schönes großes aus Hohenleimbach, ein Fachwerkgebäude aus Lederbach, heute Gaststätte. „Was fehlt, ist ein Haus von Heulingshof“. Ergänzt aber wurde das Kreuzwäldchen und die Bernharduskapelle auf der Höhe zwischen Kempenich und Weibern. Ebenfalls vorhanden: eine Fantasiekreation der Burg von Kempenich, demnächst ersetzt durch Bells Modell nach einem Kirchenfenster und eine von Pater Wagner geschaffene Burgruine.

Das Gesamtinventar der Krippe ist reich und disparat. Alles auf einmal geht nicht, weshalb der Küster drei Aufbauvarianten verfolgt. Kern und Hort der Geburt stellt entweder die Burgruine dar, ein uriger Holzstall oder eine Wurzelkrippe. Auch so eine Besonderheit: Die Wurzeln stammen von einem Baum im Pfarrhof, in den der Blitz einschlug. Hinten in der Krypta lagern sie, während vorne das frisch gesammelte Moos liegt.

Steht noch ein Aufbewahrungsort aus. Also die enge Wendeltreppe hoch und hinein in ein Wunderkämmerchen mit reparaturbedürftigen Sakralobjekten auf der Empore. Zwischen Gemälden und angeknacksten Heiligen halten dort die Krippenfiguren aus Gips, Keramik und Holz ihren monatelanden Schlaf, um schließlich inmitten der aufgebauten Landschaft und Lokalarchitektur den Kirchenbesuchern das Herz zu erwärmen mit der Botschaft: „Euch ist heute der Heiland geboren.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort