Selbsthilfegruppe in Ahrweiler "Hilfe, mein Kind nimmt Drogen"

KREIS AHRWEILER · Tom ist jung. Fast noch ein Kind. Er wohnt in einem Dorf an der Ahr. Tom ist drogensüchtig. Er will aber raus aus der Todesspirale. Er willigt ein, eine Entgiftung in einer Klinik zu machen.

 Drogenkontrolle der Polizei in Bad Neuenahr. Schon ein leichtes Zittern macht verdächtig.

Drogenkontrolle der Polizei in Bad Neuenahr. Schon ein leichtes Zittern macht verdächtig.

Foto: Martin Gausmann

Er macht den ersten Schritt, sagt Ja zu sich und damit Ja zum Leben. Denn Sucht, ob Alkohol oder Drogen, ist eine tödliche Krankheit. Bei dem Aufnahmegespräch in der Klink sagt der junge Mann: "Ich habe alles probiert außer Spritzen."

Wenigstens ehrlich ist er jetzt, denken seine Eltern und merken erst jetzt, wie weh das tut. Sie halten an dem wenigen Guten fest, das noch ist, denn sie wissen, wo ihr Sohn ist und dass er einen Entzug macht. Sie denken an den Sohn eines anderen Elternpaares, der zum wiederholten Mal rückfällig geworden ist, jetzt obdachlos ist und Gefahr läuft, den Winter auf der Straße nicht zu überleben.

Zu Toms Problem, das nur er selbst lösen kann, kommt ein weiteres. Seine Eltern sind hilflos. Doch auch sie wollen sich helfen lassen. Sie haben den Weg zu einer neuen Selbsthilfegruppe im Kreis Ahrweiler gefunden: dem Elternkreis suchtkranker Kinder und Jugendlicher.

Dort helfen Betroffene Betroffenen, indem über Probleme gesprochen wird, bei denen jeder sich selbst wiederfindet. Ein Suchtexperte von narcotic anonymous im GA-Gespräch: "Der Süchtige hat es einfacher. Der muss nur aufhören. Die Angehörigen haben es schwerer, denn sie können den Grund ihres Problems, nämlich das Kind, nicht einfach totschlagen. Und immer nagt es im Hinterkopf: 'Warum haben wir das nicht früher bemerkt?'"

In der Selbsthilfegruppe ist auch Tom Thema: "Hilfe, mein Kind nimmt Drogen." Er ist ein Opfer von chemischen Drogen. Vor allem sogenannte "Legal Highs" sind auf dem Vormarsch. Diese werden als Kräutermischungen angeboten. Sie enthalten häufig Rauschmittel, Stimulanzien oder ähnliche chemische Wirkstoffe, die auf den Verpackungen nicht ausgewiesen werden und sind äußerst gefährlich. Die gesundheitlichen Folgen sind deshalb für die Konsumenten nicht absehbar. Tom ist aber auch Täter. Denn er hat die Drogen genommen. Der Weg zu härterem Stoff war programmiert.

Immer öfter berichten Eltern von drogensüchtigen Kindern in der Selbsthilfegruppe über schlimme Erlebnisse und sie fragen sich: "Was haben wir nur falsch gemacht?" Und sie müssen einsehen, dass sie ihrem Kind nur helfen können, wenn dieses es auch will. Wie bei Tom, einem Fall aus dem Elternkreis in Bad Neuenahr. Da sitzen erwachsene Menschen, vor allem Mütter. Sie sprechen über ihre Sorgen, weinen. Die Kinder, über die sie reden, sind zwischen zwölf und 50 Jahre alt. Denn Kind bleibt immer Kind, egal wie alt es wird.

Das erste Treffen kostete auch Toms Eltern große Überwindung. Aber dann merkten sie: "Wir sind nicht alleine, allen anderen geht es genauso, alle haben die gleichen Nöte." Auf das Wichtigste macht Initiatorin Elfriede Becker aufmerksam: "Die Eltern dürfen sich selbst nicht vergessen, sie haben auch noch ein eigenes Leben."

Was aber in dieser Gruppe absolute Priorität hat: Verschwiegenheit und Anonymität nach außen. Dieses nach dem Motto: "Wen du hier siehst, was du hier hörst - wenn du gehst, lass es hier." Und jeder in der Gruppe weiß: "Wir sind eine Selbsthilfegruppe betroffener Eltern und Angehöriger von suchtgefährdeten, Drogen konsumierenden oder suchtabhängigen Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Wir haben erlebt, was es heißt Kummer und Sorgen vor Abhängigkeit, Abstieg und verbauter Zukunft unserer Kinder zu haben." Da greift die Gruppenerfahrung. Denn ob Tom clean wird, das ist die eine Sache. Ob seine Eltern ihr Leben wieder leben können, das steht auf dem ersten Blatt.

Die Treffen der Selbsthilfegruppe finden jeden ersten Mittwoch im Monat ab 19 Uhr im Mehrgenerationenhaus, Weststraße 6 in Bad Neuenahr, statt. Das nächste Treffen ist am 3. Dezember.

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