Nach Hochwasser 2010 Grafschaft muss Verteilung der Spenden neu regeln

GRAFSCHAFT · Das Hochwasser nach einem Unwetter in Nierendorf und die daraufhin von der Gemeinde Grafschaft durchgeführte Spendenaktion und die Verteilung des Geldes hatten ein juristisches Nachspiel. Seit Dienstag liegt das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vor.

Der Tenor: Die Gemeinde Grafschaft muss über die Kriterien zur Verteilung von Spenden nach dem Hochwasser neu entscheiden (Aktenzeichen 1 K 593/12.KO).

Zum Sachverhalt: Am 3. Juli 2010 war es in Nierendorf nach einem schweren Unwetter zu einem Hochwasser gekommen. Dadurch wurden zahlreiche Häuser und Hausrat schwer geschädigt. Auch der Kläger war erheblich betroffen. Unmittelbar nach dem Ereignis bat der Erste Beigeordnete der Gemeinde, Michael Schneider, über die Medien um Spenden. Auf das von der Gemeinde eingerichtete Sonderkonto gingen in der Folgezeit (Stand: August 2010) 45.499,44 Euro ein.

Über die Verwendung entschied Schneider in Vertretung von Bürgermeister Achim Juchem in einer Eilentscheidung nach Kriterien, die zuvor von einer Vergaberunde, bestehend aus Mitarbeitern der Gemeindeverwaltung und Ratsmitgliedern, aufgestellt worden waren. Danach sollte ein Betroffener unter anderem nur dann eine Zuwendung erhalten, wenn ein besonders hoher Hausratschaden entstanden ist und er nicht über Versicherungsschutz verfügt. In der Folgezeit wurden Gelder an die Betroffenen der Katastrophe verteilt, der Kläger blieb unberücksichtigt.

Im April 2011 stellte der Kläger einen Antrag auf eine Zuwendung und wies dabei darauf hin, sein Hausrat sei mit einer Eigenbeteiligung von zehn Prozent versichert, nicht aber sein Haus, das beträchtlich beschädigt worden sei. Darauf antwortete die Gemeinde, bei der Verteilung der Spenden handele es sich um eine freiwillige Leistung, auf die kein Anspruch bestehe. Damit war der Kläger nicht einverstanden und bat nach erfolgloser Durchführung eines Widerspruchsverfahrens um gerichtlichen Rechtsschutz.

Diese Klage hatte mit Urteil vom 15. Januar Erfolg. Zu den freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben einer Kommune, so die Koblenzer Richter, gehöre grundsätzlich auch die Organisation von Hilfsleistungen aller Art für Einwohner, die von einer Umweltkatastrophe betroffen seien. In einem solchen Fall werde die Gemeinde im Bereich der Daseinsvorsorge tätig und nehme eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe wahr. Die gespendeten Gelder würden zu öffentlichen Mitteln, welche die Gemeinde entsprechend dem vorgegebenen Zweck der Spende einsetzen müsse. Bei der Entscheidung darüber habe die Grafschaft das ihr eingeräumte Ermessen fehlerhaft betätigt.

Über die Festlegung der Kriterien habe nämlich der Erste Beigeordnete befunden, obwohl er dazu nicht befugt gewesen sei. Das Gericht: "Das ist grundsätzlich Sache des Gemeinderates." Zwar gebe es besondere Situationen, in denen wegen der Dringlichkeit einer Angelegenheit statt des Rates der Bürgermeister entscheiden dürfe. Die Voraussetzungen für eine solche Eilentscheidung hätten aber nicht vorgelegen, da sich Schneider in Vertretung des Bürgermeisters bei der Verteilung der Spenden an Kriterien orientiert habe, die eine zuvor dazu eingeladene Vergaberunde aufgestellt habe.

Statt diesem Gremium hätte sich damit aber ebenso der Gemeinderat befassen können. Dieser Mangel sei auch nicht behoben worden. Da aber auf dem Sonderkonto noch 614,24 Euro für die Opfer der Hochwasserkatastrophe zur Verfügung stünden, könne der Kläger noch eine Zuwendung aus den Spendenmitteln erhalten. Von daher habe er Anspruch auf die Neubescheidung seines Antrags, wobei zu beachten sei, dass zuvor der Rat die Kriterien festlegen müsse.

Gegen diese Entscheidung können die Beteiligten die Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Koblenz beantragen.

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