„Königin der Feldfrüchte“ Erntezeit für die Rüben auf der Grafschaft

Grafschaft · Zwischen Hoffnung und Resignation: Das Ende der Rübenquote verunsichert die Grafschafter Bauern. Landwirte befürchten einen Preisverfall und suchen nach Alternativen.

Die Rübenkampagne 2017 hat begonnen. Wenn bislang auch noch nicht immer die hoch beladenen Traktor-Gespanne und Lastwagen das Straßenbild prägen und wenn saftig grünes Rübenlaub vielerorts noch Grafschafter Felder bedeckt, sind manche Äcker schon kahl. Abholbereit am Straßenrand liegen hohe Halden der dicken, zuckerhaltigen Wurzeln. Franz-Josef Schäfer, Vorsitzender des Bauern- und Winzerverbandes im Kreis Ahrweiler, erwartet eine gute Ernte. „Es gab immer zur richtigen Zeit Regen, außerdem können die Rüben viel kompensieren, vor allem in unseren Böden, da gibt es sehr gute Bestände“, beschreibt er das diesjährige Ergebnis.

Allerdings hat die Medaille eine Kehrseite. Nachdem die Quote für Rüben Vergangenheit ist und der Rübenzucker aus der Region sich preislich auf dem Weltmarkt behaupten muss, ist die Rübe kein Garant mehr für einen fest kalkulierbaren Einkommensanteil der Ackerbaubetriebe. „Nach Ende des Quotensystems sind die Preise erheblich gesunken“, sagt Schäfer. Außerdem könnten die Bauern auch nach Wegfall der Quote nicht so viel absetzen, wie sie wollten. Sie müssten vielmehr schon im Frühjahr Lieferverträge mit der Krautfabrik in Meckenheim und der Zuckerfabrik in Euskirchen schließen – zu einem Zeitpunkt, an dem von Ernte noch keine Rede sein kann.

Verschiedene Preismodelle

„Es gab verschiedene Preismodelle“, führt der Präsident aus. Wählen konnten die Landwirte zwischen Kostendeckung, Orientierung am Weltmarktpreis und einem Festpreis. Den habe die Meckenheimer Krautfabrik angeboten, und er liege auf einem Niveau mit dem der Zuckerfabrik Euskirchen. „Da weiß man, woran man ist“, kommentiert Schäfer diese Variante, für die sich wohl die meisten Betriebe entschieden hätten. Die Liefermenge, die in den Verträgen stehe, sei gut. Lieferungen darüber hinaus würden betriebswirtschaftlich nicht honoriert, und die Preise würden jährlich neu verhandelt. Schäfers Fazit: Mit dem Wegfall der Quote könnte die Rübe ihren guten Ruf als „Königin der Feldfrüchte“ in der Region verlieren. „An einem guten Weizen haben die Bauern genauso viel“, vergleicht Schäfer.

Zumal die großen deutschen Zuckerproduzenten, Nordzucker, Pfeifer und Langen (Kölner Zucker) und Südzucker, jetzt miteinander im Wettbewerb stünden. Zudem sei es großen Süßwaren- oder Limonaden-Produzenten egal, ob ihr Zucker aus der Region oder aus Südamerika komme. Der Preiskampf werde künftig auf dem Rücken der Erzeuger ausgetragen, Preisnachlässe würden an die Erzeuger weitergegeben, blickt Schäfer in die Zukunft.

Forstbestand der Rübenkultur

Theo Münch, Landwirt aus Gelsdorf, gibt die Hoffnung auf einen Fortbestand der Rübenkulturen in der Region nicht auf. „Die Rübe gehört traditionell zum Rheinland, sie ist wertvoll für die Fruchtfolge auf unseren Feldern, wenn sie etwa im Wechsel mit Getreide angebaut wird, und sie produziert viel Sauerstoff“, zählt er einige Vorteile der Kulturen auf. Da Münch auch Rinder züchtet, sind ihm die Pressschnitzel, das sind die Bestandteile der Rübe, die bei der Zuckerproduktion übrig bleiben, wertvoll als Futter. „Aber, wenn es gar nicht mehr weitergeht ...“, sinniert er, ohne den Satz zu vollenden. Münch führt auch an, dass sein Betrieb die Technik für Anbau und Ernte der Rüben angeschafft habe.

„Aber es muss sich rechnen“, sagt er, und die Erlöse seien jetzt schon an der untersten Grenze. Man könne höchstens versuchen, die Produktionskosten zu senken. Münch spricht von Betrieben im Kölner Bereich, die bereits aus der Rübenproduktion ausgestiegen seien, in Norddeutschland dagegen seien einige Betriebe wieder eingestiegen. Wenn aber zu viel produziert werde, könnten die Preise noch weiter verfallen, vermutet er. Die Quote sei so bemessen gewesen, dass der Zuckerverbrauch in Europa gedeckt werden konnte, sagt Münch. „Aber wohin mit der Überproduktion?“ Und er bricht eine Lanze für hiesigen Zucker. Der sei qualitativ weitaus besser als der aus Südamerika. In der Qualität sieht er eine Chance für Rübenzucker auf dem Weltmarkt.

Verträge über drei Jahre

Sein Betrieb hat für drei Jahre Verträge mit den Fabriken geschlossen. „Wir sehen uns die Sache an, und entscheiden dann“, sagt er zur Zukunft der Rübe auf seinen Feldern. Dabei spielt auch eine Rolle, dass Rüben aufgrund ihrer robusten Art wettermäßig mehr wegstecken können als etwa Getreide, das in diesem Jahr schlechte Erträge gebracht hat. Was den Preis betrifft, will er abwarten. „Ich denke, wir haben den Tiefpunkt erreicht, wenn es noch weiter runtergeht, müssen wir überlegen.“

Überlegen muss Landwirt Heinz Schäfer aus Birresdorf nicht mehr. Seine Rüben sind gerodet und abgefahren, die eine Hälfte nach Meckenheim, die andere Hälfte nach Euskirchen. Erdbeeren sollen auf die eine Fläche, Johannisbeeren auf die andere. Der Betrieb stellt sich um, zumal zwei Söhne Obstbau gelernt haben. Für sie ist Ackerbau eine Nebensache geworden. Für Rüben sieht Schäfer in seinem Betrieb nur noch eine Chance als Wechselfrucht für die Sonderkulturen. Die Zukunft sieht er bei Johannisbeeren, Stachelbeeren, Blaubeeren und Erdbeeren.

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