Starkregen vor drei Wochen in Grafschaft Der Betroffene Matthias Frank schildert die Tage danach

GRAFSCHAFT · Matthias Frank (Foto) aus der Grafschafter Brückenstraße gehörte mit seiner Familie zu den vielen Betroffenen des Starkregens heute vor drei Wochen. Mit eigenen Worten schildert er an dieser Stelle die Tage danach, seine Erfahrungen und Gefühle.

Matthias Frank: "Wir sind eng zusammengerückt."

Matthias Frank: "Wir sind eng zusammengerückt."

Foto: Matthias Frank

Am 20. Juni klingelt mein Handy. Meine Frau berichtet mir aufgeregt, dass der Bach übergeht. Ich sage meinem Chef Bescheid und steige ins Auto. Normalerweise bin ich in 35 Minuten zu Hause. An diesem Tag brauche ich eine Stunde. Kurz vor der Ausfahrt Ringen auf der A 61 läuft Wasser in Sturzbächen über die Fahrbahn. Die Autos können nur in Schrittgeschwindigkeit passieren.

Es bildet sich ein Rückstau von mehreren Kilometern. In Nierendorf kann ich nicht in die Brückenstraße einbiegen. Sie ist gesperrt. Ich parke abseits und laufe zu meinem Haus. Meine Halbschuhe sind voller Schlamm als ich zur Brücke komme. Mein Nachbar ruft mir zu: "Bleib ganz ruhig". Ich denke noch, na, so schlimm wird es doch auch nicht sein.

Dann stehe ich auf der Brücke und sehe keinen Bach sondern einen See. Das Untergeschoss unseres Hauses steht vollständig unter Wasser. Ich schließe die Tür auf, nehme meine Frau in den Arm und beruhige die Kinder. Die Geräusche, wenn das Wasser im Souterrain die Türen eindrückt und die Möbel vor sich her treibt, müssen fürchterlich gewesen sein.

Die Angst meiner Frau hat sich natürlich auch auf die beiden kleinen Kinder übertragen. Ich ziehe mir alte Klamotten an und gehe raus. Die Nachbarin kommt und bietet meiner Frau und den Kindern ihr Haus an. Alle sind sehr hilfsbereit und das, obwohl wir erst seit kurzem in Nierendorf wohnen. Ich laufe rum und weiß nicht recht, was ich tun soll.

Das Wasser sinkt, und ich sehe, wie die Wassermassen aus den Türen laufen. Als das Wasser noch Knöchelhoch ist riskiere ich einen Blick. Ich konnte mir bis zu diesem Tag nicht vorstellen, welche Kräfte Wasser entwickeln kann. Türblätter waren abgerissen, die Möbel zerborsten und überall Schlamm.

Ich bin wie in einem Tunnel. Ich erinnere mich an den ganzen Tag, bin mir nur nicht sicher, ob ich alles in die richtige zeitliche Reihenfolge bringen kann. Jedenfalls kommen Menschen. Männer und Frauen, die helfen, Möbel oder das, was noch davon übrig ist, aus der Wohnung zu tragen. Es sind Nachbarn, die ganz spontan mit Besen, Schaufel und Abzieher da sind.

Es ist der Junggesellenverein, die Pfadfinder aus Ringen kommen. Alle packen an. Die Feuerwehr spült durch, um den Schlamm aus dem Haus zu kriegen. Ich habe eine solche Hilfe noch nie erlebt. So wenig, wie ich mir vorstellen konnte, dass dieser harmlose Bach einmal ein mitreißendes Gewässer werden könnte, so wenig konnte ich mir vorstellen, dass wildfremde Menschen in diesem Umfang anpacken.

Sie alle sind schmutzig, durchnässt, erschöpft und dennoch von einer Energie getragen, die auch mir wieder Mut macht. Eine Frau rettet die Wäsche aus unserer Waschmaschine und bringt sie am nächsten Tag gewaschen und gebügelt wieder bei uns vorbei. Es ist unbeschreiblich rührend, und mir steigen immer wieder die Tränen in die Augen.

Wie kann ich all diesen Menschen, die uns doch gar nicht richtig kennen, einmal danken für das, was sie getan haben. Und die Hilfe geht weiter. Am nächsten Tag helfen wiederum viele Menschen, den Unrat in die bereitgestellten Container zu bringen. Jugendliche und junge Männer sind dabei.

Ich hinterfrage mich selbst kritisch und glaube nicht, dass ich in meiner Jugend so hilfsbereit gewesen bin. Die nächsten Tage ohne Strom und ohne Heizung werden wir von vielen Nachbarn zum Duschen und zum Essen eingeladen. Eine Frau bringt einen Kinderwagen vorbei, immer wieder werden wir gefragt, ob wir noch etwas für den Alltag brauchen.

"Unsere" Handwerker aus Nierendorf und der Umgebung schauen sich die Schäden an. Es ist gut, dass sie schon die Renovierungsarbeiten am und um das Haus ausgeführt haben. Sie sprechen mir Mut zu und langsam entwickelt sich bei mir wieder das Gefühl, ja, wir kriegen das wieder hin.

Wenn es etwas Positives an dem Starkregenereignis gibt, dann dass wir hier eng zusammengerückt sind. Ein schönes Gefühl! Danke für all die Unterstützung, Danke an alle Helfer.

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