Fränkische Funde Grabfunde aus Bad Breisig in New Yorker Museum

Bad Breisig/New York · Vor 130 Jahren brachten Schatzgräber und gewiefte Händler in Breisig fränkische Schmuckstücke in ihren Besitz. In Niederbreisig und am Frankenbach in Oberbreisig waren zwei große unberührte fränkische Gräberfelder entdeckt worden, die man hemmungslos ausbeutete.

 Eine fränkische Bogenfibel aus dem 6. Jahrhundert.

Eine fränkische Bogenfibel aus dem 6. Jahrhundert.

Foto: Ginzler

Die Franken, deren Name für „die Mutigen“ steht, hätten die Schmach der Plünderung ihrer Gräber nicht hingenommen. Aber die Angehörigen des germanischen Stammes, der um 400 nach Christus verstärkt in linksrheinische Gebiete vorstieß, konnten sich nicht mehr wehren, als spätere Siedler über die Beigaben ihrer Verblichenen herfielen.

Auch sonst regte sich kein Widerstand vor rund 130 Jahren, um zwei Andernacher Schatzgräbern und ihrem Kompagnon Einhalt zu gebieten. Begierig auf archäologische Altertümer, für die es eine reiche Nachfrage gab, wurden um 1890 der Fotograf Gottfried Lindlohr und der Kaufmann Jacob Schmitz fündig. In Niederbreisig und am Frankenbach in Oberbreisig entdeckten sie zwei große unberührte fränkische Gräberfelder, die in der Folge hemmungslos ausgebeutet werden sollten.

Zunächst Teilhaber, fungierte der Breisiger Postverwalter Friedrich Jakob Queckenberg nachher als alleiniger Ausgräber und Vermarkter. Über die Grabungen berichtet Carl Bertram Hommen detailliert im Heimatjahrbuch 1993, wo er sich auch auf Dokumente aus dem früheren Stadtarchiv Bad Breisigs beruft, die ins Landeshauptarchiv Koblenz gelangt seien. „Daß diese Archivalien wiedergefunden wurden, ist der Initiative und Umsicht von Pastor Leonhard Meurer zu danken, der das Archiv zeitweise betreute“, lobt Hommen. Indes bedauert Elke Nieveler in ihren „Anmerkungen zur Fundgeschichte von Niederbreisig“ (Acta praehistorica et archaeologica. – 30; 1998), in Koblenz seien an der von Hommen genannten Stelle keine Akten gefunden worden.

Verkaufskatalog von 1893 führt Schmuck aus 40 Gräbern auf

Das fügt sich in die verworrene Geschichte der Schatzveräußerungen. Die Grabung in Niederbreisig expandierte vom Garten des Hotels „Zum weißen Ross“ aus in Richtung Bachstraße. Teils stieß man auf Holzsärge. Nicht selten verwendeten die Franken ausgehöhlte Baumstämme – „solche haben sich in Heppingen erhalten“, wie es in „Die Kunstdenkmäler des Kreises Ahrweiler“ heißt. Jedenfalls bestatteten sie im Rheinland die Männer mit ihren Waffen und gaben den Frauen reichen Schmuck bei. Das zeigen Fotos der beiden ersten Kataloge der Auktionen von 1893 in Bonn und 1896 in Köln aus zusammen 56 Breisiger Gräbern.

Allein der Verkaufskatalog von 1893 führt Schmuck aus 40 Gräbern auf: goldene und silberne, mit Steinen besetzte Gewandklammern in Scheibenform, Fingerringe, teils mit Monogramm, Ohrringe aus Silber sowie Armbänder aus Bronze. Zu diesen Schmuckstücken aus Frauengräbern gehörten jeweils ein Hornkamm, eine Halskette mit aufwendig hergestellten Perlen, ein Trinkglas und ein oder zwei goldene Fibeln in Vierpass-Form. Dreiteilige Gürtelschnallen waren verziert mit Einlagen aus Edelmetall.

Als Käufer traten reiche Privatleute auf und zwischen 1892 und 1898 laut Nieveler das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg, Museen in Frankfurt, Mannheim und Berlin. Auch das Bonner Provinzialmuseum erwarb Objekte. Als Friedrich Queckenberg 1909 starb, versuchte sein jüngerer Bruder Josef, der die Sammlung für die Erben verwaltete, Sammlungsstücke zu verkaufen.

Über Zwischenhändler wurde die Herkunft verschleiert. Nieveler: „Am 6. März 1910 bot Heinrich Dreesen, der als Rentner in Sinzig lebte, dem Victoria and Albert Museum in London eine ‚großartige Privatsammlung‘ zum ‚sehr vernünftigen Preis von 300 000 Mark‘.“ Er nannte weder den Besitzer noch den Ursprung der Sammlung, bemerkte aber, die deutschen Provinzmuseen unternähmen alle Anstrengungen, um „die herausragende wertvolle Sammlung“ zu erhalten.

Das Londoner Haus lehnte das teure Angebot ab. Doch ging es auch an Museen in Berlin und Darmstadt, unterstützt durch ein Schreiben des Direktors des Bonner Provinzialmuseums, dem daran lag, die Sammlung im Rheinland zu halten. Die Befürchtung, sie außer Landes gehen zu sehen, erwies sich als nur zu begründet. Archäologen verfolgten besorgt den Verbleib der kulturhistorischen Schätze.

Sie erfuhren durch eine Mitteilung des New Yorker Metropolitan Museums im April 1911 die Wahrheit und das ganze Ausmaß des „Ausverkaufs aus privater Hand“: Der vermögende amerikanische Sammler John Pierpont Morgan hatte über 400 Fundstücke aus Bad Breisig erworben. 1917 schenkte er sie schließlich mit seiner gesamten Sammlung dem Metropolitan Museum. Umfang und Erfolg der zwei Jahrzehnte lang in Breisig betriebenen Grabungen wurden einer breiteren Öffentlichkeit jedoch erst bekannt, als am 15. September 1912 ein Artikel in der „Kölnischen Zeitung“ kritisch nachfragte, ob die „Schatzkammer von Breisig“ noch gefüllt sei.

Der jüngere Queckenberg lastete seinem Bruder an, „kurz vor seinem Tode den größten und erlesensten Teil nach Bonn und Köln verkauft“ zu haben. Frühere Grabfund-Verkäufe an Kunsthändler könnten womöglich in die berühmte Sammlung John Pierpont Morgan in die USA abgewandert sein. Hommen: „Er jedenfalls, so versicherte Wilhelm Josef Queckenberg, habe direkt ‚kein Teil an Morgan oder überhaupt ins Ausland verkauft‘.“

Anders geartete Zweifel, ob als solche ausgewiesene Funde überhaupt Breisig zuzuordnen waren, führten 1913 dazu, dass H. P. Mitchell, abgeordnet vom Britisch Museum in London, Josef Queckenberg besuchte. Und als Max Freiherr von Geyr und Schweppenburg, an den das Material sodann ging, 1919 seine Sammlung „Fränkische Ausgrabungen“ bei Lempertz in Köln versteigerte, kam wieder Skepsis über die Herkunft auf.

Dessen ungeachtet sieht Autor Hommen im älteren Queckenburg-Bruder einen „idealistisch begeisterten Sammler“ mit Sinn für Qualität. Wilhelm Josef hatte den Nutzen davon und kaufte aus dem Sammlungserlös und dem Verkauf eigener Funde Schloss Hülchrath in Grevenbroich, das er aber im Ersten Weltkrieg wieder verlor.

Zwar waren damals weder private Ausgrabungen historisch relevanter Funde noch der Verkauf der Fundstücke illegal. Aber die nicht immer saubere Dokumentation, undurchsichtige Geschäftspraktiken, vor allem aber die exzessive Plünderung und die Veräußerung außer Landes riefen Irritation und Empörung hervor. Erst 1914 wurde diese Form wilder Ausgrabungen durch das preußische Grabungsgesetz, das man in Fachkreisen allgemein als „Lex Queckenberg“ bezeichnete, bei Strafe verboten.

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