Seniorenzentrum Sankt Anna Bildhauer hilft Demenz-Patienten in Ahrweiler

AHRWEILER · An Demenz erkrankte, männliche Senioren im Seniorenzentrum Sankt Anna in Ahrweiler richtet sich das Projekt von Hans-Peter Frings. Die Mainzer Sozialministerin hat sich ein Bild davon gemacht.

 Beim Bildhauern das Vergessen vergessen: (von links) Hans-Peter Frings, Sabine Bätzing-Lichtenthäler und Rudolf Schneider bei dem Projekt im Alten- und Pflegeheim Sankt Anna in Ahrweiler.

Beim Bildhauern das Vergessen vergessen: (von links) Hans-Peter Frings, Sabine Bätzing-Lichtenthäler und Rudolf Schneider bei dem Projekt im Alten- und Pflegeheim Sankt Anna in Ahrweiler.

Foto: Martin Gausmann

Hans-Peter Frings schlägt auf den Beitel, dass die Späne nur fliegen. Sein Freund greift eher zögernd zu, fragt nach: „Was muss jetzt weg?“ Beide sind Senioren über 80 und an Demenz erkrankt.

Doch beim Sirren der Kettensäge von Rudolf Schneider scheinen sie das Vergessen zu vergessen. Mehr als ein halbes Dutzend Senioren nimmt aktuell im Ahrweiler Alten- und Pflegeheim Sankt Anna an einem Projekt des Kreuzberger Bildhauers teil, das er speziell für demente Männer entwickelt hat. „Männer mit Demenz sind problematischer als Frauen“, sagt Einrichtungsleiterin Dajana Schellmann. Im Gegensatz zu Frauen könnten sie mit Handarbeit, Musischem und Ritualen weniger anfangen. „Allein beim Anblick einer Kettensäge werden Erinnerungen wach. Anders als Windowcolor. da nicken Männer nur ab“, ergänzt Schellmann.

Adressat der Botschaft: Sabine Bätzing-Lichtenthäler. Die Mainzer Sozialministerin informierte sich in Sankt Anna über das Projekt von Schneider, das bereits mit dem Förderpreis der Demenz-Leitstelle des Landes Rheinland-Pfalz ausgezeichnet wurde und über das die Uni Bonn eine Studie angefertigt hat. Und griff selbst zu Hammer und Beitel, um festzustellen: „Das ist gar nicht so einfach.“

Hans-Peter Frings, derweil im Kopf wieder ganz Polier und Feuerwehrchef, der er vor vielen Jahren einmal war, gibt der Ministerin Tipps, als ob sich seine Krankheit für Momente verflüchtigt hätte. Das ist es, was Schneider erreichen will. „Die Männer sehen, was sie schaffen können. Das gibt Selbstvertrauen. Genau deshalb treffen wir uns hier einmal pro Woche, um aus dem Stumpf des Kreuzberger Maibaums, eine Stiftung des Junggesellenvereins, eine Skuptur mit Vögeln zu schaffen“, erklärt Schneider.

Grobe Vorschnitte mit der Kettensäge erleichterten den Senioren die Arbeit. Das Thema mit Graureiher, Greif und Uhu sei vorher in der Runde besprochen worden und werde über insgesamt 14 Wochen bildhauerisch umgesetzt. Stück für Stück, und jedes Mal auch nur so lange, wie der einzelne Mann Lust, Laune und Puste dafür habe. „Da sind fünf Minuten am Stück schon sehr viel“, sagt Schneider. „Es sind fünf Minuten Lebensqualität.“

Weiterhin solche Projekte unterstützen

Das begeistert denn auch Bätzing-Lichtenthäler, die das Erfolgserlebnis hinter der Aktion für den Einzelnen sieht: „Das macht stark.“ Da könne jeder sagen: „Ich kann das. Das habe ich erreicht, da hab' ich mitgemacht.“ Auch die Ministerin weiß: „Klassische Angebote erreichen an Demenz erkrankte Männer nicht.“ Deshalb will sie sich weiter für solche Projekte einsetzen, bei denen die Akteure „mit viel Empathie und Herzblut dabei sind“.

Eine Anerkennung für das Haus der Luxemburger Franziskanerinnen, die auch die Deutschlandbeauftragte des Ordens, Schwester Helene Zimmer, gerne hörte. Die Franziskanerinnen sind seit 55 Jahren Trägerinnen von Sankt Anna, haben einen Betreibervertrag mit dem Marienhaus Klinikum, für das Heribert Frieling aus Waldbreitbach angereist war. Beide erkannten vor internen Gesprächen mit den Ministerin und dem Heimbeirat denn auch den zweiten Sinn hinter der ganzen Aktion: „Der Weg ist das Ziel.“ So berichtete Schneider von der Vorfreude „seiner“ Bildhauer, wenn wieder der Tag im Garten an der Franziskusstraße ansteht: „Da kommen die Männer raus aus ihrem Schneckenhaus, in das sie sich sonst verkriechen, weil die meisten Betreuungsangebote nicht auf sie zugeschnitten sind.“ Doch leider gehe so etwas nur in der warmen Jahreszeit. „Hämmern und Kettensäge im Keller, das schallt durch das ganze Haus“, sagt Schneider, der aber bereits an einem Projekt für den Winter arbeitet. Bildhauerei wird es nicht sein, aber auch mit Ton und vielen anderen Materialien kennt sich der Kreuzberger Künstler aus.

Was es konkret sein wird, sagt der Bildhauer noch nicht, doch Heimleiterin Schellmann möchte es auf jeden Fall haben: „Wenn die Finanzierung funktioniert.“ Da genügte ein Nicken von Bätzing-Lichtenthäler, denn auch sie sah, was mit den Senioren in dem Moment passierte, als sie zu Hammer und Beitel griffen: „Sie blühen auf - und das ist schön zu sehen.“

Das tun die an Demenz erkrankten Männer derzeit in gleich drei Seniorenheimen. Denn Schneiders Projekt läuft im Sommer wöchentlich auch in Sankt Josef in Bad Breisig und im Altenburger Maternusstift. Mit anderen Akteuren, aber mit demselben Spaß, den Hans-Peter und Max in Ahrweiler haben. Da fliegen die Späne nur so gegen das Vergessen.

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