"Mitbürger unter Vorbehalt" Ausstellung über das Schicksal Remagener Juden in der Villa Hero

REMAGEN · 75 Jahre nach der Pogromnacht eröffnete die Ausstellung "Mitbürger unter Vorbehalt - Remagener Juden zwischen Anerkennung und Vernichtung" in der Villa Heros, zu der Dechant Johannes Georg Meyer seitens des Projektträgers Katholische Pfarreiengemeinschaft Remagen-Kripp im vollen Pfarr- und Jugendheim begrüßte.

 Carolin Scheid führte die ersten Besucher durch die Remagener Ausstellung.

Carolin Scheid führte die ersten Besucher durch die Remagener Ausstellung.

Foto: Gausmann

Die Erinnerung an das jüdische Leben werde seit 1988 in Remagen gepflegt, merkte er mit Blick auf zwei Mahnmale und verlegte Stolpersteine an.

"Wenn man sieht, wie Neonazis provakant auftreten, fragt man sich, wie ist das möglich?", sagte Landrat Jürgen Pföhler, der wie Meyer die Notwendigkeit fortgesetzter Erinnerungsarbeit betonte - dies insbesondere wegen der braunen Umtriebe im Kreis. Angesichts der NS-Gräueltaten reichten "Betroffenheit und Scham" nicht aus, erklärte Bürgermeister Herbert Georgi. Vielmehr bedürfe es einer "kritischen und moralischen Selbstbindung für die Zukunft, um Minderheiten, Presse und Kunst zu beschützen und nicht zu bespitzeln". Die Schicksale und Namen nennende Ausstellung mache das schwierige Thema fassbar für Menschen, "die sich innerlich davon abgewandt haben". Auch Mevlüt Kaynak, Imam der Türkisch-Islamischen Moscheegemeinde Remagen, wertete die Präsentation als Beitrag für den Frieden in der Welt. Jürgen Tibusek, Pastor der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Remagen, wünschte ihr viele junge Besucher und "dass Remagen die bunte Stadt am Rhein bleibt".

Auf die offene Wunde zeigte indes der Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Neuwied, Jürgen Ries: "Obwohl ich diese Ausstellung und Ihre aufrichtigen Bemühungen, die Pogromnacht vor 75 Jahren nicht vergessen zu machen, sehr schätze, kann ich Sie als Jude nicht zu einer Erinnerung an die brutalen und barbarischen Geschehnisse ?begrüßen?, im freundlich gestimmten Sinne des Wortes." Er zitierte lieber den mit einer Jüdin verheirateten evangelischen Theologen und Schriftsteller Jochen Klepper. Klarsichtig schrieb dieser am 10. November 1938: "Heute sind alle Schaufenster der jüdischen Geschäfte zerstört worden und in den Synagogen Feuer gelegt worden...Was wird man an Maßnahmen wieder aus diesem ?Aufflackern der Volkswut? ableiten?" Es war die Shoah, die das deutsche Judentum unwiederbringlich vernichtete.

Die Ausstellung, so Kurator Rudolf Menacher, der den vielen Mitarbeitern, darunter Organisatorin Agnes Menacher, dankte, wolle vermitteln, "dass Juden bis 1933 lange Zeit unbehelligt in Remagen gelebt haben, dass sie die Anerkennung, ja sogar in einzelnen Fällen die Hochachtung ihrer christlichen Mitbürger genossen, ehe sie durch die nationalsozialistischen Judenhasser ausgegrenzt, wirtschaftlich ruiniert und schließlich deportiert und ermordet wurden". Allerdings zögen sich antijüdische Ressentiments wie ein roter Faden durch die Geschichte seit dem Mittelalter. Aus Mangel an authentischen Zeugnissen - es gab nur wenige Objekte und Fotos - entschloss man sich, "die Ereignisse und Schicksale mit Materialien aus anderen Quellen zu illustrieren".

Zahlreiche Besucher konnten sich davon überzeugen, dass in fünf Räumen mit dem wenigen Vorhandenen und den Ergänzungen dennoch klar und anschaulich geschildert wird, was die Remagener Juden erlebten und durchlitten. Zu Texten und Bildern auf 25 Rollups und fünf Bannern kommt ein Schemel aus der Synagoge, der zur Reparatur war, als diese brannte. Es erscheint das riesige Foto des jüdischen Gotteshauses, welches eindringlich dem Bild des heutigen Parkplatzes gegenüberstellt ist, wo nichts mehr an die Synagoge erinnert. Nahe dem Original-Synagogenstern steht der kleine Stern vom ersten zerstörten Mahnmal. Ebenso beziehungsreich markieren vier noch zu verlegende Stolpersteine das Zentrum eines der Räume.

Die Ausstellung in der Kirchstraße 3 ist bis 27. Januar freitags bis sonntags von 15 bis 18 Uhr zu sehen.

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