Landwirtschaft in Sinzig Anwohner sind gegenüber Einsatz von Gülle skeptisch

Sinzig · Eine Überdüngung findet auf den Sinziger Feldern nicht statt, das Trinkwasser weist keine negativen Auffälligkeiten auf. Diese Nachricht nahmen die Zuhörer von einer Grünen-Veranstaltung mit nach Hause. Dennoch blieb Skepsis.

 Mit einem Güllewagen wird auf einem Getreideacker organischer Dünger ausgebracht. Der Dünger wird unmittelbar ins Erdreich geleitet.

Mit einem Güllewagen wird auf einem Getreideacker organischer Dünger ausgebracht. Der Dünger wird unmittelbar ins Erdreich geleitet.

Foto: dpa/Jens Büttner

Sie riecht nicht gerade gut und sieht auch nicht schön aus: Gülle. In wenigen Wochen werden die Landwirte wieder damit beginnen, ihre Felder für das neue Agrarjahr aufzupeppen. Dies oft zum Leidwesen von über Gestank klagenden Anliegern und um Boden- und Trinkwasserschutz besorgten Umwelt- und Naturschützern. Die Grünen in Sinzig nahmen sich nun des Themas an und luden mit Peter Weißer einen sachkundigen Vertreter des Dienstleistungszentrums ländlicher Raum ein. Gekommen waren zudem rund 80 Zuhörer, die eine für Sinzig wichtige Botschaft mit nach Hause nehmen konnten: Eine Überdüngung finde auf den Sinziger Feldern nicht statt, das Trinkwasser weise keine negativen Auffälligkeiten auf. Nicht jeder ließ sich allerdings von den Ausführungen überzeugen.

Jedes Jahr produzieren Rinder, Schweine und Hühner mehr als 300 Milliarden Liter Gülle. Das ist das 33-fache des Bierausstoßes aller deutschen Brauereien, rechnet der Naturschutzbund Deutschland (NABU) vor. Wird zu viel Gülle auf dem Feld ausgebracht, hat das gravierende Konsequenzen: So dringt immer mehr Gülle ins Grundwasser ein, wodurch der Nitratgehalt des Wassers ansteigt.

In vielen Regionen – so der Nabu – werde der Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter Grundwasser um ein Vielfaches überschritten. Zur Sicherstellung der Trinkwasserqualität müssten Wasserwerke teure Gegenmaßnahmen ergreifen. Die Kosten trage der Verbraucher. Auch das Umweltbundesamt warnt inzwischen vor einer möglichen Erhöhung der Trinkwasserpreise von bis zu 45 Prozent.

Harn und Kot von Schweinen und anderen Nutztieren dient schon immer als billiger Dünger für Pflanzen. In kleinem Maßstab funktioniert das auch gut. Denn in den Ausscheidungen der Tiere steckt Stickstoff, den die Pflanzen für das Wachstum brauchen. Die Gülle sorgt dafür, dass Futterpflanzen gedeihen, mit denen der Landwirt seine Tiere ernähren kann.

In Zeiten der Massentierhaltung und des Einsatzes von Antibiotika wird der ansonsten ideale Kreislauf jedoch zum riskanten Bauernmanöver. Was das Problem noch verschärft, ist der Gülletourismus. So exportieren in erster Linie niederländische Agrarbetriebe ihren Mist gern nach Deutschland. Mit jedem Sattelzug schwappen 26 Kubikmeter neue dünne und dicke Mastschwein- oder Rindergülle ins Land und auf die Felder.

Während Greenpeace mangelnde Kontrollen beanstandet, weist Peter Weißer vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum auf zahllose Verordnungen, Anleitungen, Infobriefe, Merkblätter, Hinweise und behördliche Kontrollen hin, die einem unbotmäßigem Gülleauftrag Einhalt gebieten sollen. Ungeachtet dessen: Ein maßvoller Umgang mit Gülle sei im Sinne des Bauern. Zu viel Jauche auf dem Feld sei der Ernte eher abträglich.

Dennoch: Mehr als 25 Prozent der Messstellen in Deutschland weisen nach Angaben der Bundesregierung überhöhte Nitratwerte auf. Daher wurde im vergangenen Sommer eine neue Düngeverordnung auf den Weg gebracht, die nun die Düngeverordnungen der einzelnen Länder und die Wirtschaftsdüngerverbringungsverordnung ergänzen soll.

Der Verordnungs-Wirrwarr brachte in Sinzig nicht gerade Licht ins Dunkle der Gülle. Zumindest jedoch liegen Zahlen zu den Importen vor. Landwirtschaftliche Betriebe, die Gülle importieren, müssen bei Mengen über 200 Tonnen pro Jahr nämlich eine Meldung an die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) machen. Danach wurden in 2016 2500 Tonnen, in 2017 4900 Tonnen und in 2018 2400 Tonnen auf die Felder rund um Sinzig ausgebracht. Etwa 1000 Hektar werden in Sinzig bewirtschaftet.

„Die regionale Landwirtschaft muss erhalten und gestärkt werden“, sagte Hardy Rehmann von den Sinziger Grünen. Dazu gehöre aber auch ein Verhalten, das sowohl die Belange des Wasser- und Naturschutzes als auch gerechtfertigte Interessen der Bürger berücksichtige.

Nicht alle Zuhörer waren zufrieden mit den äußerst detailreichen Ausführungen des Dienstleistungszentrumsvertreters, der langatmige Erklärungen zu organischen und mineralischen Düngungen machte, zur Stickstoffverfügbarkeiten, zu Makro- und Mikroorganismen, zu Resistenz-Genen oder zu Nährstoffzusammensetzungen. „Alles Mist“, meinte dann auch eine Dame, die vorzeitig den Saal verließ. Womit zumindest sie das Thema des Abends keinesfalls verfehlt hatte.

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