Schreckensweihnacht vor 75 Jahren Am Tag vor Heiligabend 1944 fielen Bomben aufs Ahrtal

KREIS AHRWEILER. · Jedes Jahr am 23. Dezember läutet die Glocke von Sankt Antonius in Green in Erinnerung an den Bombenangriff 1944. Wie durch ein Wunder gab es keine Toten. Für die Nachbarorte Ahrweiler und Bachem sollte sich der 24. Dezember jedoch als Schreckensweihnacht erweisen.

Total zerbombt: Das damalige Hotel „Deutscher Hof“ mit dem „Ratskeller“ zwischen Oberhut und Altenbaustraße.

Total zerbombt: Das damalige Hotel „Deutscher Hof“ mit dem „Ratskeller“ zwischen Oberhut und Altenbaustraße.

Foto: Martin Gausmann

Nur zwei Mal im Jahr wird das Glöckchen der kleinen Heilig-Kreuz-Kapelle am Ende der Mühlenstraße in Green geläutet: am 17. Januar, dem Geburtstag des Kapellenpatrons Sankt Antonius. Und am 23. Dezember. Dann soll sein Läuten an den Tag vor Heiligabend des Jahres 1944 erinnern, als es nach einem Bombenangriff auf Green wie durch ein Wunder keine Toten zu beklagen gab. Das ist genau 75 Jahre her.

Für zwei Nachbarorte hingegen sollte sich der darauffolgende Tag als Schreckensweihnacht erweisen, für die Bewohner von Bachem sogar zum schwärzesten Tag in der Geschichte ihres Dorfes werden. 49 Bomber vom Typ B 24 (Liberator) legten Bachem an diesem Tag in Schutt und Asche. Mit mehr als 1000 Bomben an Bord waren sie kurz nach Mittag von einem Flugplatz in Südostengland gestartet. Ihr Auftrag: Mit einem Flächenbombardement sollten sie die Eisenbahnbrücken rund um Ahrweiler zerstören. Bachem erwartete eine ruhige Weihnacht – bis zum Sirenenalarm kurz vor 15 Uhr. Um 15.08 Uhr flogen die feindlichen Bomber in rund 7000 Metern Höhe über ihrem Zielgebiet. Der erste Bomber setzte über der Bachemer Ortsmitte eine Markierungsleuchtbombe ab, die im Volksmund ausgerechnet „Christbaum“ genannt wurde.

Schutz im Weinkeller

Die Einwohner hasteten daraufhin in die Weinkeller ihres damaligen Winzervereins und in andere Luftschutzräume. Innerhalb von nur zwei Minuten warfen die Flugzeuge ihre Bomben, die eine breite Schneise quer durchs Dorf schlugen, schwerste Schäden anrichteten, ganze Häuser pulverisierten und 14 Menschen töten.

Bombenschäden im Dezember 1944: Häuser an der heutigen Johannes-Müller-Straße in Ahrweiler.

Bombenschäden im Dezember 1944: Häuser an der heutigen Johannes-Müller-Straße in Ahrweiler.

Foto: Martin Gausmann

Vom Haus des Küfermeisters Anton Stahl in der Annastraße 17 blieb so gut wie nichts übrig. An der Annastraße wurden die Häuser der Familien Matthias Schäfer, Anton Stahl, Gebrüder Ropertz, Witwe Peter Fell und das Haus Kleefuß völlig zerstört. Im Talweg lagen die Mühle Jakob Gäb und das Haus Laufer völlig am Boden. An der Neuenahrer Straße wurden die Häuser Johann Kelter und das Haus Apollinaris Gies ganz und das Haus der Witwe Peter Ropertz teilweise zerstört. Die 14 Toten sind nach ihrer Bergung in der Remise des Bachemer Winzervereins abgelegt und am Morgen des ersten Weihnachtstages eingesargt worden. Hubert Groß war während des Bombenangriffs bei einer Marineartillerie-Abteilung nördlich von Sylt. Als er nach Weihnachten nach Bachem kam, musste er erfahren, dass seine Frau und seine Kinder am Morgen beerdigt worden waren.

Rettung am zweiten Weihnachtsfeiertag

Nach dem Angriff auf Bachem flog der Bomberverband nach Ahrweiler, wo er die Altstadt bombardierte. Dieser Angriff kostete weitere acht Menschen das Leben. Mehrere Einwohner wurden in einem Keller verschüttet. Einige ältere Männer aus der Nachbarschaft halfen während der Weihnachtsfeiertage bei den Bergungsarbeiten. Und so konnten die Eingeschlossenen am zweiten Weihnachtstag unter großen Anstrengungen befreit werden.

Beim Angriff auf Green am Tag vor Heiligabend, bei dem mehr als 60 Bomben auf das Dörfchen niedergingen, blieb die Greener Mühle immerhin so weit verschont, dass sie die Bewohner des Orts sowie Krankenhäuser und Lazarette im Umland weiterhin mit Mehl versorgen konnte. Auch die Heilig-Kreuz-Kapelle Sankt Antonius blieb verschont. Zur Erinnerung an den Angriff wurde unter dem Kreuz auf dem Altar ein großer Bombensplitter angebracht, der zwischenzeitlich jedoch gestohlen worden ist.

Die Vorgängerin der Kapelle, im Jahr 1647 erstmals urkundlich erwähnt, war bei dem verheerenden Ahr-Hochwasser am 21. Juli 1804 zerstört worden. Ihre Glocke blieb verschollen. Dank des Einsatzes von Diethard Bahles konnte Karl-Josef Bings, damals Pfarrer von Sankt Mauritius in Heimersheim, am 16. Dezember 1992 ein neues Glöckchen weihen. Viele Jahre wurde es von dem 2018 verstorbenen Heinz Müller geläutet, bis sein Sohn Martin diese Aufgabe übernahm.

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