GA-Serie "Rheinische Redensarten" Mer jewennt sich an alles, och an et Hänge

In der Serie „Rheinische Redensarten“ beleuchten wir mit Unterstützung von Dialektsachverständigen bedeutungstiefe Redewendungen.

 Man gewöhnt sich an alles - auch ans Hängen.

Man gewöhnt sich an alles - auch ans Hängen.

Foto: GA-Grafik

Manche Rheinische Redensarten sind dazu geschaffen, Mut zu machen, Optimismus zu verbreiten und der geschundenen Seele einen Funken Hoffnung zurück zu geben. Selbst für den Fall, wie es der Kölner Mundartsänger Wolfgang Niedecken einst formulierte, dass das Licht am Ende des Tunnels nur eine Panoramatapete ist. Damit sind wir schon bei der Kernbotschaft der Wendung: „Mer jewennt sich an alles, och an et Hänge – wenn mer unge dr. Ärme hängk“. Wörtlich ins Hochdeutsche übersetzt heißt das: „Man gewöhnt sich an alles, auch ans Hängen – wenn man unter den Armen hängt.“

Subtile Argumentation

Hier liegt eine sehr subtile Argumentation vor, die dem Rheinländer ja stets zu eigen sein soll. Der belesene Philosoph spricht da von Dialektik. Und damit ist nicht eine Ableitung von Dialekt, also Mundart, gemeint, sondern das Denken in Gegensatzbegriffen. Man nähert sich der Bedeutung einer Aussage gewissermaßen mit Hilfe einer Intervallschachtelung und grenzt die Aussage immer mehr ein, bis sie zuletzt eindeutig und unzweifelhaft geworden ist. Das Ganze verpackt der Rheinländer in einen logischen Dreischritt und würzt es am Ende noch mit einer dicken Prise Humor.

In drei Schritten

Aber jetzt mal ganz langsam. Erster Teil: Man gewöhnt sich an alles. Klar, auch an das Wildeste, Schlechteste und Schlimmste. Wer hätte die Erfahrung nicht schon – hoffentlich in milder Form – gemacht?

Das Schlimmste

Und was ist für einen Menschen das Schlimmste? Na ja, vielleicht, dass er gehängt wird. Das ist also der zweite Teil. Da ist der Zuhörer so weit, dass er in der Fantasie jemanden am Galgen baumeln sieht. Und nun folgt der erleichternde dritte Schritt: Wenn man unter den Armen hängt. Da wird das Galgenbild korrigiert, und man sieht jemanden an seinen Händen festgebunden baumeln. Schlimm, aber nicht ganz so schlimm wie die vorherige Vorstellung. Es ist also Entwarnung angesagt: Et hätt noch immer jood jegange! Oder jood jehange!

Die Artikel zum rheinischen Dialekt entstehen in Zusammenarbeit mit dem Heimatfilmer Georg Divossen (www.bönnsch-abc.de). Haben auch Sie einen Lieblingsspruch, dann mailen Sie ihn uns an rheinisch@ga.de.

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