Langsam greift die Hilfe für indische Frauen

Die Bonnerin Rosi Gollmann begleitete Franz Alt auf seiner Filmreise durch den Subkontinent - Einst gründete sie die Andheri-Hilfe

Bonn. Vier Mädchen hat die 25-jährige Lakschmi aus dem südindischen Bundesstaat Tamil Nadu geboren. Zwei davon sahen das Licht der Welt aber nur für wenige Minuten. Dann wurden sie von ihrer Oma, Lakschmis Schwiegermutter, getötet - mit Pflanzengift, das sie ihnen anstelle von Muttermilch einflößte.

Hinter dieser grausamen und in Indien weit verbreiteten Praxis der Mädchenmorde - in manchen Dörfern werden bis zu 80 Prozent der weiblichen Neugeborenen getötet - steht die Angst vor Armut. Denn mehrere Töchter zu haben, führt die Familien fast unausweichlich ins Elend - wegen der ständig steigenden Mitgiftforderungen der späteren Bräutigamsfamilien.

Fernsehjournalist Franz Alt berichtet in seiner WDR-Dokumentation über "Mädchenmorde und Tempelprostitution" in Indien - und über deutsche Hilfe für indische Frauen. Denn mit Unterstützung der Bonner Andheri-Hilfe gelingt es immer mehr Inderinnen, die frauenfeindlichen Traditionen in ihrem Land aufzubrechen, sich gegen sie zur Wehr zu setzen.

Auch Lakschmi engagiert sich seit einem Jahr in einer Frauengruppe, die gegen Mädchenmorde kämpft und von der deutschen Andheri-Hilfe unterstützt wird. Der Einsatz hat Erfolg: In 35 Dörfern rund um die Stadt Mandurai ist seit drei Jahren kein einziges neugeborenes Mädchen mehr getötet worden. Und als Lakschmi vor vier Monaten ihre jüngste Tochter Vanita gebar, haben die Frauen aus ihrem Dorf sogar ein Fest gefeiert und zu Ehren des Mädchens zwei Kokosbäume gepflanzt: "Vanita soll leben."

Für die Gründerin der Andheri-Hilfe, die Bonnerin Rosi Gollmann, die Alt bei den Dreharbeiten begleitete, zeigt der Fall Lakschmis, wie wichtig es ist, die Frauen bei ihrer Befreiung von den Fesseln der Bevormundung zu unterstützen. Doch gleichzeitig weiß sie auch, wieviel Aufklärungsarbeit die Andheri-Hilfe und ihre indischen Frauengruppen noch zu leisten haben, um "die Probleme der Inderinnen an der Wurzel anzugehen und nicht nur Symptome wie Hunger und Arbeitslosigkeit zu bekämpfen".

Sie und ihre Mitarbeiter setzen auf Hilfe zur Selbsthilfe - und die Erfolge geben ihnen Recht. So konnte Alt bei der Reise durch Indien filmen, was es dort wohl noch nie gab: eine Massenhochzeit von ehemaligen "Mathammas" - Tempelprostituierten, die von ihren Familien schon im Kindesalter zur Prostitution im Namen der Religion gezwungen wurden. Heute leben sie im Schutz ihrer Familie und führen ein normales Leben. Das gestärkte Selbstbewusstsein der indischen Frauen zeigt sich auch in ihrem Beitrag zum Lebensunterhalt der Familie.

Waren sie früher auf das angewiesen, was der Mann an Geld und Nahrungsmitteln mit nach Hause brachte, so nehmen sie heute zunehmend ihre Rolle als Mitversorgerin wahr. In der Nähe von Hyderabad etwa filmten Alt und seine Crew blühendes Agrarland, wo wenige Jahre zuvor noch nicht einmal Gras wuchs - ein von Frauengruppen realisiertes Programm zur Wasserbewirtschaftung machte es möglich. Die Landflüchtigen kehrten aus den Slums der Städte zurück. Heute wohnen sie in Häusern mit eigenen Biogasanlagen. Sogar ein eigenes Kreditsystem errichteten die Frauen mit Hilfe aus Deutschland.

143 000 Frauen sind dank der Andheri-Hilfe heute in Gruppen organisiert. In fünf Jahren wollen sie eine Million sein.

Mädchenmorde und Tempelprostitution am 6. Mai um 16.30 Uhr, WDR Fernsehen. Wiederholung am 11. Mai um 13.30 Uhr.

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