GA-Serie "Rheinische Redensarten" Datt es ene Kommodehellije

In der Serie „Rheinische Redensarten“ beleuchten wir mit Unterstützung von Dialektsachverständigen bedeutungstiefe Redewendungen.

Im katholischen Rheinland sind jedewede kirchlich inspirierte Mahnungen zuhause. Der Katholizismus ist hier eine Querschnittthematik. Deshalb darf man erstens eine gut in kirchlichen Angelegenheiten gebildete Bürgerschaft voraussetzen. Und zweitens ist das Repertoire an Metaphern aus dem kirchlichen Umfeld sehr groß.

Ein schönes Beispiel ist die rheinische Redensart: „Datt es ene Kommodehellije.“ Ins Hochdeutsche ist das schnell übertragen: Das ist ein Kommodenheiliger. So weit kein Problem. Aber was ist ein Kommodenheiliger? Um dem als Außenstehender auf die Spur zu kommen, muss man einen Blick ins traditionelle bäuerliche Haus tun.

Da gibt es neben den üblichen Requisiten das Kreuz über der Tür, hinter dem ein Palmzweig klemmt. Der stammt zwar selten von einer echten Palme, sondern ist wegen der Beschaffungsoptionalität meist vom Buchsbaum gewonnen. Es ist der „Palmzweig des kleinen Mannes“, wie es der Brauchtumsexperte Manfred Becker-Huberti formuliert. Meist nicht weit davon entfernt steht der Hausaltar. Nicht selten eine umfunktionierte Kommode, auf der eine Kerze, ein Ikonenbild oder eine Heiligenfigur steht. Letztere ist der/die genannte Kommodenheilige.

Nimmt man es genau, ist das also nicht einfach nur ein Heiliger, sondern ein besonders exponiert aufgestellter Heiliger. Er steht erhöht auf dem Möbelstück und ist dadurch ein besonderer Blickfang. Kurz: Er ist etwas ganz Besonderes.

Und dieses Attribut überträgt sich im Umkehrschluss in übergeordneten Sinne auf den so Bezeichneten. Der Zeitgenosse, den man einen Kommodehellije nennt, der hält sich selbst für etwas besonderes. Mancher sagt, er ist ein sonderbarer Mensch. Um es noch spezieller zu beschreiben: Er zeichnet sich durch eine besondere, vielleicht sogar übertriebene Frömmigkeit aus. Ausgerechnet das macht im Rheinland misstrauisch, denn man versucht zwar einerseits, die göttlichen Gebote einzuhalten, aber man möchte es auch nicht übertreiben.

Diese Grundhaltung ist sicher auf die Bibelfestigkeit des Rheinländers zurückzuführen, der weiß, dass der Pharisäer, der die geistlichen Gesetze besonders streng eingehalten hat, nicht die ungeteilte Zustimmung Jesu erhielt. Denn diese Religionsrichtung galt nicht nur als besonders Gesetzestreu, sondern auch als selbstgerecht und heuchlerisch.

Und das sollte man auch wiederum vermeiden. Die Jugend von heute würde dazu wahrscheinlich sagen: Alter, chill mal die Basis.

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