GA-Serie "Rheinische Redensarten" Beim Dehle lierste se kenne

In der Serie „Rheinische Redensarten“ beleuchten wir mit Unterstützung von Dialektsachverständigen bedeutungstiefe Redewendungen.

Bei den Rheinischen Redewendungen gibt es einen Aspekt, der sich immer wieder wie ein roter Faden durchzieht. Viele Weisheiten behandeln das gute und richtige Handeln. Sie sind quasi als Lebenshilfe oder Erziehungsleitspruch gedacht, um den Rheinländer auf dem Pfad der Tugend zu halten. In diese Kategorie fällt auch der Satz: „Beim Dehle lierste se kenne.“ Wörtlich übersetzt bedeutet das im Hochdeutschen: Beim Teilen lernst Du sie kennen.

Damit ist natürlich der „wahre Charakter“ des betreffenden Menschen gemeint. Gibt es doch im täglichen Miteinander viele Möglichkeiten, die tiefen Abgründe der menschlichen Seele zu verbergen. Wenn es aber ans Grundsätzliche geht, dann kann es sein, dass die Masken fallen. Wir sprechen also von einer Form des persönlichen Aschermittwochs.

Mundartsprecherin Elisabeth Schleier berichtet: „Wenn etwas zu vererben ist, und die ganze Verwandtschaft kommt, dann nimmt sich jeder, was er haben will. Dann lernt man sie kennen.“ In diesem Sinne ergänzt Liesel Lorscheidt: „Wenn's beim Erben ans Teilen geht, dann kann man sehen wie sich die Leute aufführen.“

Und Mundartsprecher Hans Nolden erwartet in den kommenden Jahren noch eine Zuspitzung dieser Situation: „Vor allen Dingen bei den heutigen Patchworkfamilien wird das noch schlimmer werden.“ Und Wilhelmine Schönenberg erinnert sich: „Wenn man teilen soll, etwa Schokolade oder im Krieg das Brot, dann kann man die Erfahrung machen, dass die Menschen ungern abgeben. Die Kinder von heute sind auch sehr besitzergreifend und sind nicht sehr sozial eingestellt.“

Und genau diese Erkenntnis wird in der Redewendung gefasst. Mundartsprecher Josef Schwalb präzisiert das Phänomen: „Es geht um Neid und Raffgier, die den Kern des Menschen ans Tageslicht holen kann.“ Nicht wenige Familiengeschichten enthalten Kapitel solcher Zerwürfnisse.

Die Artikel zum rheinischen Dialekt entstehen in Zusammenarbeit mit dem Heimatfilmer Georg Divossen (www.bönnsch-abc.de). Haben auch Sie einen Lieblingsspruch, dann mailen Sie ihn uns an rheinisch@ga.de.

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