Als Unglücksboten unter Generalverdacht

Tierfreundin Angelika Bornstein pflegt die klugen Rabenvögel, die sich im Kreis wieder vermehrt haben

Als Unglücksboten unter Generalverdacht
Foto: Axel Vogel

Rhein-Sieg-Kreis. In der vereisten Schneelandschaft suchen die schwarzen Gesellen dieser Tage gut sichtbar und laut krächzend nach Futter. Doch anders als etwa bei Meisen und Spatzen hält sich die Sympathie der Menschen für Rabenvögel eher in Grenzen.

Selbst während der kalten Jahreszeit. Schlimmer noch: Oft wird dem lange als "Unglücksboten" und "Nesträuber" verunglimpften Tier weiterhin gezielt nachgestellt. Die Erfahrung muss jedenfalls Angelika Bornstein machen.

Die Eitorferin, die für den Sankt Augustiner Verein "Vogelnothilfe" vor allem notleidende Wildvögel betreut, bekommt immer wieder drangsalierte Rabenvögel zur Pflege. Die Verfolgung der Tiere ist für Bornstein ungerecht.

Die Rabenvögel Die Familie der Rabenvögel (Corvidae) gehört zur Unterordnung der Singvögel (Passers). Die wiederum zählt zur Ordnung der Sperlingsvögel (Passeriformes). Weltweit kennen Experten 110 Rabenvogelarten, die teils ganz unterschiedlich aussehen und gefärbt sind. Im deutschsprachigen Raum heimisch sind etwa der Eichelhäher, die Elster, die Alpendohle, die Dohle, die Saatkrähe mit den Unterarten Rabenkrähe und Nebelkrähe sowie der Kolkrabe.Es liegt in der Natur der Krähen und Raben als Allesfresser, dass sie oft zur Stelle waren, wenn Gefallene auf dem Schlachtfeld lagen, Hingerichtete am Galgen hingen oder Seuchenopfer bestattet werden mussten. Kurzum: Wo Tod und Verderben regierten, stellten sich in den vergangenen Jahrhunderten Rabenvögel ein.

So kam es wohl auch, dass Krähen, Raben, Elstern, Dohlen und Eichelhäher als "Unglücksboten" galten. Auch die Redewendung der diebischen Elstern bürgerte sich ein. Und dementsprechend verächtlich wurden die Tiere behandelt.

Besonders zugesetzt hatte der Mensch dem Kolkraben, dem größten Singvogel überhaupt. Um 1940 galt das Tier in weiten Teilen Europas als ausgerottet, inzwischen haben sich die Bestände wieder erholt. Auch im Rhein-Sieg-Kreis, so hat die 48 Jahre alte Vogelexpertin Bornstein recherchiert.

Vier Brutpaare hat sie allein in der Umgebung von Eitorf gezählt. Ein vergleichbares Schicksal erlitt die Elster: Ende 1945 fast ausgestorben in hiesigen Breitengraden, gibt es laut Bornstein allein in Deutschland wieder 100 000 Brutpaare. Bornsteins besonderes Faible für die Gattung hängt mit Hucki zusammen.

Einer maladen Elster, die ihre Tochter vor etwa elf Jahren mit nach Hause gebracht hatte. Hucki wurde nicht nur ausgesprochen zahm, sondern entwickelte auch seinen eigenen Kopf - und versetzte die Familie ob seines raffinierten Vorgehens ein ums andere Mal in Erstaunen.

Nicht nur, dass Hucki mit Vorliebe sein Hab und Gut, bestehend aus Futter und Legosteinen, im Kassettenschacht des Videorekorders deponierte. Auch hatte das Tier die Angewohnheit, "alles haben zu wollen, was wir benutzten", erinnert sich Angelika Bornstein.

Ihrem Ehemann wäre die Vorliebe fast zum Verhängnis geworden: Vor einem wichtigen Vortrag, festgehalten als Datei auf dem Notebook, schaffte es der Vogel doch tatsächlich, alle Gummihalterungen der Notebook-Tastatur zu verschlucken. Gott sei Dank hatte Hucki das Gewölle rechtzeitig vor dem Vortrag wieder ausgespuckt, inklusive der Halterungen. Selbst Zitronentee-Granulat, verstaut in einer Schraubdose, war vor der Elster nicht sicher.

Zwar gibt es Hucki längst nicht mehr. Wohl aber ließen die Rabenvögel fortan Angelika Bornstein nicht mehr los. Beeindruckt war sie vor allem von deren Intelligenz. Die Eitorferin verweist auf einschlägige Forschungen: Danach könnten Elstern ihr Spiegelbild erkennen, Krähen Werkzeuge zur Nahrungsbeschaffung bauen und Kolkraben zum Aufbrechen von verendetem Wild Wölfe herbeirufen. "Allein würde das ein Vogel nämlich nicht schaffen", sagt Bornstein.

Über hundert Rabenvögel, die verletzt oder entkräftet zu ihr kamen, hat die Wildvogelexpertin in den vergangenen Jahren wieder aufgepäppelt. Derzeit sind es sieben Krähen, vier Eichelhäher, drei Elstern und vier Dohlen. Besonders herzig: Eine Elster hat sich in ihrer Voliere ganz offensichtlich in eine Dohle "verguckt".

Was Angelika Bornstein auffällt bei ihrem Engagement für die Vogelnothilfe: Die Not vieler Rabenvögel rührt immer noch von Menschenhand. So hat sie es häufig mit angeschossenen Tieren zu tun. Der Grund dafür ist, so glaubt sie, dass die Vögel bei Waidmännern unverändert als (Nest-)Räuber von Niederwild wie Rebhühnern geächtet sind.

"Es ist für Rabenvögel normal, sich auch durch Nestraub zu ernähren, allerdings wird diese Art des Nahrungserwerbs in ihrer Bedeutung überschätzt", hält sie dagegen. Untersuchungen von Gewölle und Mageninhalt hätten gezeigt, dass diese Art der Ernährung viel seltener ist als es beobachtete Fälle nahelegten. Außerdem, so sagt sie, "ist die Natur kein Ponyhof: Wer sie erleben will, muss sie auch aushalten können." Aus ihrer Sicht sind weniger Rabenvögel der Grund für den Rückgang von Hase & Co als eine von Menschenhand vorangetriebene Lebensraumveränderung.

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