Backmanufaktur Nelles 25-Jährige aus Sankt Augustin arbeitet als Konditorin in Vietnam

Bornheim/Sankt Augustin · Anna Nguyen aus Sankt Augustin tritt für ein Jahr eine Konditorenstelle in Vietnam an. Nach ihrem Abschluss am Rhein-Sieg-Gymnasium hat die 25-Jährige ihre Lehre bei der Backmanufaktur Nelles abgeschlossen.

 "Ein Leben ohne Kuchen ist möglich, aber sinnlos", steht hinter Anna Nguyen in der Nelles-Filiale im Huma in Sankt Augustin.

"Ein Leben ohne Kuchen ist möglich, aber sinnlos", steht hinter Anna Nguyen in der Nelles-Filiale im Huma in Sankt Augustin.

Foto: Katharina Weber

Windbeutel backt Anna My Huyen Nguyen am liebsten. Oder Zitronenrolle – Hauptsache Kleinigkeiten mit Sahne und viel Deko. Solche und andere Leckereien will die Konditorin, die vor einem Jahr ihre Lehre bei der Backmanufaktur Nelles in Bornheim abgeschlossen hat, nach Vietnam bringen. Am heutigen Montag geht ihr Flieger, Termin des Rückflugs offen. Rund ein Jahr lang will sie im Heimatland ihrer Eltern als Konditorin arbeiten.

"Ich habe da eine Bekannte, die hat ein Restaurant und darin eine Konditorei. Sie selber ist aus Belgien, es ist ein bisschen internationaler dort", erklärt die 25-Jährige. Nach ihrer zweijährigen Ausbildung arbeitete Nguyen zuletzt noch ein Jahr als Gesellin bei Nelles. Das Unternehmen hätte sie zwar gerne übernommen, aber das kam für sie nicht in Frage. "Ich würde später gerne selbstständig werden. Und bevor ich für so einen Aufenthalt gar keine Zeit mehr habe, will ich die Zeit nutzen – etwas anderes sehen, andere Kulturen, ein bisschen Urlaub machen, meine Muttersprache verbessern und etwas Neues lernen", beschreibt sie ihre Motivation.

Über Vietnam könne sie immer noch ein ganze Menge lernen, sagt sie. Zwar spreche sie Vietnamesisch, könne es aber weder lesen noch schreiben. "Ich war vor neun Jahren das letzte Mal da, mit meiner Mutter." Damals hätten sie vor allem alte Bekannte besucht. Die Reise wird für sie also in jeder Hinsicht etwas Neues. "Ich bin schon ziemlich aufgeregt", gibt die junge Frau aus Sankt Augustin zu.

Die Konditorei ihrer Bekannten liegt in Phan Thiet an der Südostküste, der Heimatstadt ihrer Eltern. In der Hafenstadt mit einem kleinen Angelhafen, Freiluftmärkten und einem Tempel wohnen rund 350.000 Menschen. Was ihre Eltern zu ihren Plänen sagen? "Nicht viel", sagt Nguyen und lacht. "Meine Mutter freut sich zwar, aber meine Eltern haben auch Angst, weil ich die jüngste Tochter bin und noch nie alleine gereist bin." Zwei Schwestern und einen zehn Jahre älteren Bruder hat sie noch. Zu den Bedenken ihrer Eltern trage wahrscheinlich auch der Fakt bei, dass sie vor etwa 40 Jahren aus Vietnam geflüchtet seien, vermutet die Konditorin. Bis auf kurze Besuche seien sie nicht mehr in ihre Heimat zurückgekehrt.

"Ich kann es nachvollziehen, ich hab ja selber Sorge", vor allem, weil sie kaum jemanden kenne. "Aber ich denke, nachdem ich den ersten Schritt gemacht habe, wird es okay sein." Denn sie habe die Vietnamesen vor allem "herzlich" in Erinnerung. Welche Backwaren bei den Einheimischen am besten ankommen könnten, kann sie noch nicht einschätzen. "Aber das Gute ist: Ich darf viel ausprobieren, haben sie mir gesagt."

In ihrer Familie ist sie übrigens die einzige Bäckerin. Nach der Schulzeit hat die Absolventin des Rhein-Sieg-Gymnasiums zunächst "gejobbt" und nur hobbymäßig gebacken – bis ihre Tante sie fragte, ob sie deren Hochzeitstorte backen wolle. "Das ist eine ziemlich große Ehre. Ich habe ihr gesagt, dass ich nicht professionell backen kann, aber sie wollte es trotzdem – weil ich das mit Liebe mache", erzählt sie. Das Ergebnis: eine zweistöckige Fantatorte mit Sahne und Obstverzierungen. Für diese habe sie viel positives Feedback bekommen - und sich deswegen entschieden, aus dem Hobby ihren Beruf zu machen.

Ihren Resturlaub bei Nelles nutzte sie, um sich auf den Auslandsaufenthalt vorzubereiten. Dabei will viel bedacht sein: Versicherungen, Impfungen und Visum sind nur einige Aspekte. "Ich hab acht Impfungen gehabt, gegen Tollwut, Polio und noch mehr. Besser zu viel als zu wenig", meint Nguyen. Und wie lief das Packen? "Ich darf 30 Kilo mitnehmen. Aber es ist schon ziemlich schwierig, nur 30 Kilo für ein ganzes Jahr zu packen. Wahrscheinlich buche ich noch einen zweiten Koffer dazu. Zwei große Koffer, ein Handgepäck... Das sollte reichen", sagt sie und lacht.

Ihre Koffer musste sie sogar schon ein bisschen früher befüllen: Zu ihrem Geburtstag am 20. August stand noch ein Kurztrip nach London mit Freunden an. Diese hatten eher gemischte Gefühle, was Nguyens aktuelle Vietnam-Pläne angeht. "Die meisten wollen nicht, dass ich gehe. Aber ich habe ihnen gesagt, dann müssen sie mich eben dort besuchen kommen."

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