Verhalten Der will nicht immer nur spielen

Die Körperhaltung bei Hunden richtig deuten. Alle Rassen sprechen meist die gleiche Sprache.

 Vorderkörper tief, übertriebene Gesten: Der will wirklich nur spielen.

Vorderkörper tief, übertriebene Gesten: Der will wirklich nur spielen.

Foto: NICHOLAS CHASE/GETTY IMAGES-STOCKPHOTO

Der knurrt nur aus Spaß? Von wegen. Weil Menschen die Körpersprache von Hunden falsch interpretieren, kommt es häufig zu heiklen Situationen oder Unfällen. Statt einzelne Signale deuten zu wollen, müssen Hundehalter immer das ganze Tier im Blick behalten.

Gerade schleudert Henry noch entspannt seinen Dummy durch die Luft. Doch im Bruchteil einer Sekunde fixiert der Labrador plötzlich den Hund gegenüber. Henry macht sich groß, rümpft die Nase, stellt seinen Schwanz auf. Sein hohes spielerisches Japsen wird zum tiefen Knurren. "Dass aus sozialem Spielen aggressiver Ernst wird, kann schnell gehen", erklärt die Kieler Hundeverhaltensforscherin Dorit Feddersen-Petersen.

Verhalten falsch interpretiert

Obwohl die Tiere ein fein differenziertes Ausdrucksverhalten besitzen, mit dem sie ihre Stimmungen, Gefühle und Absichten zeigen, interpretieren Menschen es häufig falsch. "Menschen, die unsicher sind und sich um ihren Hund sorgen, neigen dazu, viel zu schnell in Begegnungen mit anderen Hunden einzugreifen", sagt die Fachtierärztin. Ihre Angst gehe auf die Tiere über und mache eine harmlose Kommunikation unnötig erregt.

Auch Ariane Ullrich bestätigt: "Das Fehlinterpretieren der Hundesprache ist eine der häufigsten Quellen für Unfälle." Ullrich ist Verhaltensbiologin und Mitglied im Berufsverband der Hundeerzieher und Verhaltensberater (BHV). Ein typisches Beispiel ist das Wedeln mit dem Schwanz. Entgegen der allgemeinen Meinung ist es nicht immer ein Zeichen für Freude und Freundlichkeit. "Es bedeutet zuallererst einmal Aufregung", sagt Ullrich. "Die kann sowohl positiv sein, als auch Spannung ausdrücken."

Auch Bellen oder Knurren können von der Aufforderung zum Spiel bis zur Warnung alles bedeuten. Um den Hund richtig zu verstehen, sollten sich Menschen daher nie auf einzelne Zeichen beschränken. "Es ist immer ein Bündel an Signalen, von der Nasen- bis zur Schwanzspitze", sagt Feddersen-Petersen.

Richtige Leseart finden

Am besten achtet man auf alle beweglichen Körperteile, empfiehlt Ullrich. Im Zusammenspiel aus Körperspannung, Ohrenhaltung, Öffnung der Schnauze und Stellung der Rute findet sich die richtige Lesart.

Der Blick auf Labrador Henrys starr aufgerichtete Rute, deren Spitze leicht zittert, genügt also nicht für eine Einschätzung. Je weiter nach vorn Körper, Ohren und Lefzen gerichtet sind, desto deutlicher die Warnung. Kommt jetzt noch ein Knurren dazu, kann der Hund bald zur Abwehr schnappen.

"Offene Aggression des Hundes zeigt sich durch eine erhobene, leicht pendelnde Rute. Die Ohren zeigen nach vorn, der Körper ist angespannt. Die Läufe sind durchgedrückt, der Blick fixiert das Gegenüber, die Zähne sind gebleckt, die Mundwinkel kurz", sagt Tierärztin Katrin Umlauf vom Deutschen Tierschutzbund in Bonn. Will ein Hund dem anderen nur imponieren, zeigt er ähnliche Signale. "Doch im Gegensatz zum offensiven Aggressionsverhalten geht der Blick dann am Gegenüber vorbei."

Doch nicht nur aus Übermut oder Wachsamkeit, sondern auch aus Angst kann Aggression werden. Nach hinten gelegte Ohren zusammen mit eingeknickten Hinterbeinen und einer Rute unter dem Bauch, meist mit weit nach hinten gezogenen Lefzen, zeigen Unsicherheit bis Panik. "In dieser Situation kann es zu Abwehrverhalten kommen", erklärt Ullrich.

"Macht der Hund übertriebene Gesten, wedelt mit der Rute, hat große Augen, reißt das Maul auf und stellt den Vorderkörper tief, dann will er für diesen Moment wirklich nur spielen", sagt Umlauf. Doch selbst beim Spielen kann das Tier knurren oder schnappen. Barbara Schöning, Tierärztin für Verhaltenskunde vom Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH), erklärt: "Damit signalisiert ein Hund dem anderen, dass es ihm zu heftig wird."

Gleiche Sprache

Im Prinzip sprechen alle Hunderassen die gleiche Sprache. Eine Ausnahme bilden Variationen, die vom Körperbau des Tieres herrühren: So könne ein Hund mit Stummelschwanz nur wenig mit seiner Rute ausdrücken, so wie ein Tier mit Ringelrute, die in Dauerimponierhaltung steht, sagt Feddersen-Petersen. Und Pudel können aufgrund ihres Fells keine Haare aufstellen.

Dazu kommen rassenbedingte, unterschiedliche Charaktereigenschaften: "Während Retriever ihre Freude deutlich und mit viel Körperkontakt ausdrücken, sind Windhunde eher ruhig und minimalistisch", sagt Ullrich.

Zum Verstehen der Körpersprache können sich Halter an Hundeschulen wenden oder Seminare besuchen. Verhaltensforscherin Feddersen-Petersen schlägt vor, den Hund beim Spielen und Kräftemessen mit anderen zu filmen und später die Bilder zu Hause anzusehen. "Sie werden staunen, wie nah sie ihrem Hund dadurch kommen."

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