Klimaschutz im eigenen Haus Ohne neue Heiztechnik keine Energiewende

BONN · Anlässlich der Bonner Weltklimakonferenz COP23 plädieren Energieexperten für die Umrüstung alter Heizungen auf Gas. Gleichzeitig können Haushalte Energie herstellen und selbst nutzen.

 Energie sparen und selbst erzeugen: Klimaschutz setzt auch moderne Heizungen und ökologische Stromgewinnung voraus FOTO: STOCK ADOBE

Energie sparen und selbst erzeugen: Klimaschutz setzt auch moderne Heizungen und ökologische Stromgewinnung voraus FOTO: STOCK ADOBE

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Wie sehr behindern alte Heizungsanlagen die Schaffung klimafreundlicher Gebäude? Durchaus nicht unerheblich, dass legt zumindest ein „Debattenbeitrag“ des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) mit Sitz in Bonn nahe: „So stehen Erdöl und Kohle zusammengenommen noch immer für über ein Viertel des Endenergieverbrauchs“, heißt es in dem Papier unter dem Titel „Der Energie-Impuls – ein Debattenbeitrag für die nächste Phase der Energiewende“.

Was die Autoren zudem monieren: „Die dort eingesetzten Techniken sind nicht immer auf dem effizientesten Stand.“ Von den insgesamt rund 20 Millionen Heizanlagen, die in Deutschland installiert sind, arbeiten nur etwa 6,3 Millionen Heizkessel mit moderner Brennwerttechnologie, darunter 4,2 Millionen Gaskessel.

Eine Wende zu insgesamt klimafreundlichen Heizungen und damit Gebäuden lässt sich durchaus schaffen: Und zwar durch die Nutzung der Potenziale von Gasen und Gasinfrastrukturen, wie Experten aus der Energiewirtschaft bei einer Diskussion am Dienstag im Hotel Königshof anlässlich der Weltklimakonferenz COP23 in Bonn erklärten. Eingeladen hatte die International Gas Union (IGU) und der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches.

Die Ausgangslage und der große Handlungsbedarf war aus Sicht der Diskussionsteilnehmer klar: „Das anspruchsvolle Ziel, die CO2-Emissionen bis 2050 um insgesamt 80 bis 95 Prozent zu senken, können wir nur mit der Kombination aus erneuerbaren Energien wie Wind- und Sonnenenergie mit Erdgas und grünen Gasen erreichen”, brachte es der DVGW-Vorstandsvorsitzende Professor Gerald Linke am Dienstag auf den Punkt.

„Die Integration der erneuerbaren Energien in die bestehende Gasinfrastruktur spielt eine wesentliche Rolle für den Erfolg der globalen Energiewende.“ Daher hätten sowohl Erdgas als auch grüne Gase ihren Anteil an diesem neuen Energiemix, so Linke weiter, „nicht nur als Begleiter der Erneuerbaren, sondern als deren Wegbereiter”.

Ähnlich sah das auch IGU-Generalsekretär Luis Bertrán: „Dank steigender Leistungsfähigkeit, breiterer Anwendungsfelder und wachsender Märkte werden erneuerbare Gase wie Biogas, Wasserstoff und Methan eine immer wichtigere Rolle im weltweiten Energiemix spielen“, betonte Bertrán.

Allerdings blieben das Tempo dieses Wandels und die Entwicklung preiswerter Stromspeichertechnologien größere Herausforderungen. Mittelfristig ist für den IGU-Generalsekretär die Ablösung der Kohle und die Kombination von flexiblem, effizientem und treibhausgasärmerem Strom mit erneuerbaren Energien der schnellste und einfachste Weg, „Emissionen zu mindern und die Versorgung zu sichern“.

Aus Sicht des DVGW kann aber die Entwicklung zu einem klimafreundlichen Heizen und damit zur Schaffung eines umweltfreundlichen Gebäudesektors in drei Schritten gelingen.

Der erste Schritt ist die Ablösung von Erdöl und Kohle durch Gase und die Verbreitung moderner Heizungstechnik. „Kurzfristig und sozialverträglich lassen sich signifikante Klimaschutzeffekte durch den Fuel-Switch von Erdöl und Kohle hin zur Nutzung der klimafreundlicheren Gase erzielen“, so steht es im Debattenbeitrag. „Der Energie-Impuls“. Mit einem kompletten Fuel-Switch – also einer Umstellung auf andere Brennstoffe – von Braunkohle zu Erdgas könne man die klimaschädlichen Emissionen um 108,75 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente jährlich reduzieren.

Es müssen jedoch viel mehr alte durch moderne Heizsysteme ersetzt werden, um den Brennstoffverbrauch und damit die Treibhausgasemissionen deutlich zu senken. Nur rund ein Viertel der Haushalte nutzen laut DVGW moderne Brennwerttechnik. Der Vorteil moderner gasgefeuerter Heizanlagen sei ferner, dass diese mit Solarthermie, Strom-Wärmepumpen und der Nutzung erneuerbarer Gase wie Biogas kombiniert werden können.

Auch mit Blick auf die Infrastruktur wäre ein zeitnaher Wechsel auf Gas machbar: Die meisten Gebäude haben einen Gasanschluss beziehungsweise liegen in der Nähe zum Gasnetz, heißt es in dem Debattenpapier.

Den zweiten Schritt leitet der DVGW ebenfalls aus den in Paris vereinbarten Klimaschutzzielen ab. Danach hat sich der Gebäudesektor im Jahr 2050 weitestgehend klimaneutral aufzustellen. Dies erfordere besonders für hochverdichtete Wohnquartiere mit hohem Altbaubestand und den dort typischerweise begrenzten Potenzialen für die Absenkung des Wärmebedarfs weiterreichende Maßnahmen. „Hier bieten grüne Gase aus Power-to-Gas- oder Biogasanlagen in Verbindung mit moderner Mikro-KWK(Kraft-Wärme-Kopplungs)-Technik die Möglichkeit der vollständigen Erreichbarkeit der Klimaneutralität.“

Damit haben großstädtische Regionen und Strukturen die Chance und das Potenzial, „durch die Schaffung und Nutzung dezentraler smarter Strukturen, wie der Nutzung grüner Gase in Mikro-KWK-Anlagen, aktiv zum Erfolg der Energiewende beizutragen“.

Als dritten Schritt schlägt das Debattenpapier vor, Gebäude nicht länger als passive Konsumenten im Energiesystem zu betrachten. Vielmehr sollten diese „zu aktiven Elementen entwickelt werden“. Konkret könnte das beispielsweise so aussehen, „dass Wohnungen und Eigenheime mit einer smarten Mikro-KWK-Anlage ausgestattet und mit anderen derartigen Anlagen zu einem sogenannten Schwarm beziehungsweise einem virtuellen Kraftwerk vernetzt werden“.

Die Frage, wie sinnvoll und umsetzbar diese Forderungen in der Region Bonn/Rhein-Sieg/-Ahr überhaupt sind, beantwortet Professor Hermann Schlagheck, Sprecher der linksrheinischen Projektgruppe „Erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Klimaschutz“ im Rhein-Sieg-Kreis: „Verbandsvertreter werben natürlich gerne für das, was sie anzubieten haben“, sagt der Experte. „Andererseits ist es unstreitig, dass auch in unserer Region eine wirkliche Energiewende eine 'Wärmewende' voraussetzt.“

Das bedeute, dass alte und ältere Heizungen durch effizientere Anlagen zu ersetzen seien: „Am besten durch einen Mix aus PV-Anlage, Stromspeicher zur Selbstnutzung des erzeugten Stroms, Wärmepumpe und moderne gasbetriebene Heizanlagen, auch mit Mikro-KWK-Technik ausgestattet“, führt Hermann Schlagheck aus.

Klimaneutrales Wärmemanagement im Gebäudebestand erfordere aber auch weiterhin die Verringerung von Wärmeverlusten durch entsprechende Bausysteme und Dämm-Maßnahmen, betont der Swisttaler Energiefachmann: „Dabei sollte die Devise sein, wenn ich (m)einem Haus zum Beispiel einen neuen Anstrich verpasse, dann gleich auch an energiesparende Maßnahmen denken.“

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