Neue Rechtslage Trotz Vermittlung keine Provision

Gegen das neue Verbraucherwiderrufsrecht laufen auch viele Immobilienmakler in Bonn Sturm.

 Umfangreiche Informationen erwarten Kunden, die sich per Mail oder per Telefon bei Jan-Peter Sattler-Riegel gemeldet haben.

Umfangreiche Informationen erwarten Kunden, die sich per Mail oder per Telefon bei Jan-Peter Sattler-Riegel gemeldet haben.

Foto: Axel Vogel

Bislang sah auch der übliche Geschäftsalltag von Bonner Immobilienmaklern wie Wieland Münch oder Jan-Peter Sattler-Riegel so aus: Ein Kunde meldete sich per Telefon oder Mail in ihrem Büro, um sich eine Wohnung oder ein Haus anzusehen und im nächsten Schritt zu kaufen. Alles war dabei für den Kunden bis zur Unterschrift unter den Kaufvertrag unverbindlich und gebührenfrei. Nach seiner Unterschrift wurde aber die Maklerprovision fällig.

Doch seit dem 13. Juni könnte folgender hypothetische Fall eintreten: Der Makler inseriert in der örtlichen Zeitung beziehungsweise über ein Internetportal eine Immobilie zum Verkauf, erklärt Fachanwalt Ralf Schweigerer, Vorsitzender des Bonner Anwaltvereins.

Daraufhin meldet sich ein potenzieller Erwerber. Dieser bittet wohlwissend, dass hiermit gegebenenfalls eine Maklercourtage verbunden wäre, den Makler telefonisch oder per Mail um weitere Informationen.

Noch für den selben Tag wird ein Besichtigungstermin vereinbart. Der Kunde ist von der Immobilie begeistert, und zehn Tage später folgt die Beurkundung eines wirksamen Kaufvertrages. Unmittelbar im Anschluss erhält der Käufer von einem Freund den Tipp, dass die Maklercourtage vielleicht dadurch zu umgehen wäre, dass der Maklervertrag nach den Grundsätzen des Fernabsatzgeschäfts zu widerrufen sei. Dies tut der Kunde und spart sich die Maklercourtage.

Das wäre zulässig, sagt Schweigerer: "Nach heutiger, neuer Rechtslage, die aber auch nicht gerichtlich geklärt ist, dürfte es sich beim Maklervertrag um einen Dienstleistungsvertrag handeln, der dem neuen Fernabsatzvertragsrecht unterfällt. Der Kunde kann dann demnach binnen 14 Tagen widerrufen." Der Unmut über das neue Gesetz ist daher vor allem bei den Maklern groß.

Nach dem neuen Verbraucherwiderrufsrecht, das seit dem 13. Juni in Kraft ist, gelten bei einem rein elektronischen Kontakt zwischen Kunde und Makler die Regelungen über Fernabsatzgeschäfte, die unter "ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln" zustande gekommen sind.

"Danach hat der Verbraucher ein 14-tägiges Widerrufsrecht", bestätigt Fachanwalt Schweigerer, der unter vielen betroffenen Mandanten eine große Verunsicherung ausgemacht hat. Die Konsequenz kann für den Makler gravierend sein, im schlimmsten Fall geht er ungeachtet einer erfolgreich vermittelten Immobilie leer aus.

Um dies zu vermeiden, trifft Makler Sattler-Riegel Vorsorge. Schließlich meldet sich der größte Teil seiner Kunden per Telefon oder per Mail, so dass das neue Widerrufsrecht greift. Also informiert er die Kunden pflichtgemäß über die neue Rechtslage.

Zudem lässt er den Kunden vor jeder Leistung seines Büros, etwa einem Besichtigungstermin, eine Erklärung unterschreiben. Darin verlangt der Interessent ausdrücklich, dass Sattler-Riegel vor Ende der Widerrufsfrist mit der Ausführung der beauftragten Dienstleistung beginnt. Ferner stimmt der Kunde ausdrücklich zu, dass er bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Makler sein "Widerrufsrecht verliert".

Aus Sicht von Jurist Schweigerer ist das zulässig: "Die einschlägige gesetzliche Regelung nach neuem Recht befindet sich in Paragraf 356 Absatz 4 des Bürgerlichen Gesetzbuches."

Aus Sicht von Immobilienmakler Sattler-Riegel erspart eine solche Regelung allen Beteiligten Nachteile: "Wenn man als Makler nicht so vorgeht und das Widerrufsrecht nicht ausschließt, kann auf Kundenwünsche nur mit Verzögerung reagiert werden."

So könne man sich entweder entscheiden, dem Kunden erst nach Verstreichen der 14-tägigen Widerrufsfrist ein Objekt anzubieten und zu verkaufen. Oder man müsse als Makler das Risiko eingehen, den Auftrag sofort auszuführen, so dass der Kunde möglicherweise den Vertrag widerrufen könne und die Provision nicht zahlen müsse.

Aber auch potenziellen Käufern hilft die neue Regelung laut Sattler-Riegel nicht: "Wenn ein Makler die 14-tägige Widerrufsfrist in Anspruch nimmt, ist das Objekt auf dem ohnehin engen Bonner Markt oft längst verkauft oder vermietet."

Wieland Münch, Geschäftsführer von Limbach-Immobilien, macht dem Gesetzgeber vor allem zum Vorwurf: "Kein Mensch blickt bei dem neuen Widerrufsrecht überhaupt durch!" Und er fügt hinzu: "Es gibt noch keine entsprechenden Urteile dazu." Ähnliche Stimmen kommen auch aus dem Immobilienverband Deutschland (IVD): "Die Verunsicherung unserer Mitglieder ist groß", sagt IVD-Vizepräsident Rudolf Koch.

"Auch weil die Makler jetzt viel Ärger mit ihren Kunden haben, denen die Information lästig ist." Koch hält das Gesetz für misslungen, "weil beim Abschluss eines Maklervertrages noch nichts direkt gekauft wird". Eventuell komme es erst später zu einem Kaufvertrag. Koch fragt sich, warum Makler in eine gesetzliche "Kann-Regelung" einbezogen wurden, Reise- und Versicherungsbüros aber nicht.

"Die Novellierung des Widerrufsrechts bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen sowie bei Fernabsatzverträgen geht auf die europäische Verbraucherrechterichtlinie zurück, die Deutschland in innerstaatliches Recht umsetzen musste", rechtfertigt sich Juliane Baer-Henney, Pressesprecherin im Bundesministerium der Justiz und für den Verbraucherschutz in Berlin: "In den Erwägungsgründen dieser Richtlinie ist ausdrücklich festgehalten, dass auch Verträge über Dienstleistungen von Immobilienmaklern von der Richtlinie erfasst sein sollen."

Grundsätzlich gelte das Widerrufsrecht für alle zwischen Unternehmern und Verbrauchern im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge. "Es soll den Verbraucher vor übereilten Vertragsabschlüssen in den genannten Situationen schützen", sagt die Ministeriumssprecherin: "Dieser Schutzzweck kann auch bei Maklerverträgen relevant werden, so dass es nicht gerechtfertigt gewesen wäre, diese vom Anwendungsbereich auszunehmen."

Dass auf die Makler Nachteile zukommen, sieht man in Berlin eher weniger: "Das Widerrufsrecht steht auch einer sofortigen Leistungserbringung durch den Makler nicht entgegen", betont Juliane Baer-Henney: "Denn gemäß Paragraf 356 Absatz 4 BGB erlischt das Widerrufsrecht bei einem Vertrag zur Erbringung von Dienstleistungen, wenn der Unternehmer die Dienstleistung vollständig erbracht und mit der Ausführung erst auf den ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers hin begonnen hat."

Bestätige der Verbraucher bei seiner Zustimmung zur Vertragsausführung, dass ihm bewusst ist, dass er sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer verliert, kann er den Vertrag auch vor Ablauf der 14-tägigen Frist nicht mehr widerrufen. Dabei handelt es sich laut der Ministeriumssprecherin jedoch - im streng juristischen Sinne - nicht um einen Verzicht auf das Widerrufsrecht.

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