Energieausweis Laien fehlt der Überblick

Angaben zum Energieausweis sind in Inseraten Pflicht: Experten aus der Region sehen bei vielen Verbrauchern eine Informationsdefizit.

 Seit 1. Mai 2014 ist ein Energieausweis für Immobilien Pflicht. Nötig ist er vor allem bei einem Verkauf oder einer Vermietung - ansonsten werden Bußgelder fällig.

Seit 1. Mai 2014 ist ein Energieausweis für Immobilien Pflicht. Nötig ist er vor allem bei einem Verkauf oder einer Vermietung - ansonsten werden Bußgelder fällig.

Foto: dpa

Auch ein Jahr nach dem Inkrafttreten der novellierten Energieeinsparverordnung (EnEV), die unter anderem Pflichtangaben zum Energieausweis in Immobilienanzeigen verlangt, ist das Unwissen bei Verbrauchern groß.

Das ist zumindest die Erfahrung vieler Fachleute in der Region. Aufklärung scheint umso mehr erforderlich, als Immobilienbesitzer, die einen Energieausweis besitzen, dazu aber keine Angaben in einer Anzeige machen, seit Mai dieses Jahres auch mit einem Bußgeld rechnen müssen. Das bestätigt Joachim Frielingsdorf, Sprecher der Energieagentur NRW.

Dass dieses Versäumnis seit dem 1. Mai handfeste Konsequenzen haben kann, ist noch weniger beim Verbraucher angekommen, sagt der Bad Godesberger Makler Jan-Peter Sattler-Riegel: "Den meisten Verkäufern ist noch nicht einmal bewusst, dass der Ausweis Pflicht ist, insbesondere auch bei Vermietungen.

Insofern denken viele auch nicht an mögliche Strafen". Laut Sattler gebe es beim Energieausweis so viele Regelungen, "dass hier dem Laien der Überblick fehlt". Mit dieser Meinung steht Sattler-Riegel nicht allein da.

Ein zentrales Problem der Pflichtangaben in Inseraten ist vor allem, dass sowohl Käufer als auch Mietinteressent offenbar wenig mit den Angaben anfangen können: "Das Thema ist beim Kunden nicht angekommen", sagt Immobilienmakler Franz Lanzendörfer aus Bad Godesberg klipp und klar.

"Die Aussagekraft der Pflichtangaben ist für den Kunden nur bedingt verständlich, lediglich Angaben zum Baujahr und Energieträger sind direkt nachvollziehbar, die Angaben und die Herleitung zum Energieverbrauchskennwert oder berechneten Energiebedarf in der Regel nicht."

Viele Käufer und Mieter würden zwar nach wie vor auf den Heizkostenverbrauch achten, den sie aber ohnehin einer Nebenkosten- oder Heizkostenabrechnung entnehmen können.

So ist nach Ansicht von Franz Lanzendörfer für den Kunden "die Transparenz über die Beschaffenheit von Gebäuden eher nicht gegeben". Zumal es nach wie vor zwei Versionen des Energieausweises gebe, den Bedarfs- und den Verbrauchsausweis - diese seien nicht zu verwechseln.

Auch sagt der Makler, der Mitglied des städtischen Gutachterausschusses ist: "Die Empfehlungen sind für eine kostengünstige Modernisierung zu allgemein gehalten oder oftmals nicht möglich."

Recht bekommt der Makler von Celia Schütze, Geschäftsführerin der Bonner Energie Agentur (BEA). Auch Schütze sieht noch Optimierungsbedarf eines an sich "sinnvollen Instrumentes", wie sie sagt. Schütze rät vor allem, "dieses Instrument richtig einzuführen, die Kennwerte zu erklären und die Gebäudestandards als Maßstab zu etablieren".

Die anhaltende Unkenntnis ist umso bedauerlicher, als der Gesetzgeber die EnEV vor einem Jahr novelliert hatte, um immer wieder beklagte "Vollzugsdefizite" zu beheben, hatte Ulrich Goedecke, Energieberater für Unternehmen bei der Energieagentur NRW, vor einem Jahr dem General-Anzeiger gesagt.

Daher sollten durch die Pflichtangaben zum Energieausweis in Anzeigen Käufer wie Mieter einer Wohnimmobilie anhand der ausgewiesenen Effizienzklassen die Endenergie auch konkret in einen Eurobetrag umrechnen können.

Unterm Strich wollte der Gesetzgeber nicht nur beim Verbraucher mehr Transparenz schaffen und das Bewusstsein für den Klimaschutz erhöhen, so Goedecke damals. Vor allem sollten auch Besitzer von Immobilien mit schlechten Energiewerten dazu bewegt werden, "etwas an ihren Gebäuden zu tun".

Doch dafür müsste aus Sicht von Celia Schütze, Leiterin der Bonner Energieagentur, erst ein Interessenkonflikt gelöst werden. Das Problem ist aus ihrer Sicht: "Der Verkäufer will das Gebäude ja gerade verkaufen, muss nun aber Geld für die Erstellung eines Energieausweises zahlen, um sein Gebäude als gegebenenfalls sanierungsbedürftig darzustellen", erklärt die BEA-Geschäftsführerin: "Daher kann kaum ein Verkäufer Interesse an detaillierten Modernisierungstipps haben."

Schütze rät daher Kauf- oder Mietinteressenten sich im Sinne eines tragfähigen Sanierungsfahrplans über einen Energieausweis hinaus bei Beratungsstellen wie etwa der BEA schlau zu machen.

Für Celia Schütze ist der Gesetzgeber gefordert, das Instrument besser zu erklären: "Wir erhalten oft solche Anfragen wie 'Krieg ich denn überhaupt einen Energieausweis?' oder 'Ich hab aber kein Geld, um die Außenwand zu dämmen'".

Diese Aussagen zeigten Schütze, dass viele Verbraucher von falschen Anforderungen oder Verpflichtungen ausgehen: "Der Energieausweis erhebt ja nur den Zustand; eine Pflicht etwa zur Außenwanddämmung kann daraus nicht abgeleitet werden."

Um mehr Transparenz zu schaffen, regt Immobilienmakler Franz Lanzendörfer zudem an, die unterschiedlichen Energieausweise abzuschaffen: Stattdessen solle es nur noch ein Dokument geben, "welches tatsächlich Aussagen über die energetische Beschaffenheit des Gebäudes zulässt und welches einheitlichen Kriterien der Datenerfassung unterliegt." Egal, ob es online oder durch einen Energieberater vor Ort erstellt werde, so Lanzendörfer.

Auch der Immobilienverband Deutschland, IVD West, sieht als Berufsverband der Immobilienmakler und Sachverständigen einigen Verbesserungsbedarf bei dem an sich sinnvollen Instrument. Damit sowohl Verbraucher wie auch Anbieter und Makler tatsächlichen Nutzen aus einem Energieausweis ziehen können, fordert der Stellvertretende Vorsitzende Axel Quester: "Der Energieausweis sollte günstiger sein, schneller ausgestellt werden - und eine deutlich bessere Aussagekraft haben."

Zwar räumt Joachim Decker von der Energieagentur NRW ein, dass ein Energieausweis für eine Immobilie nicht ganz so einfach ist zu verstehen sei "wie bei einem Kühlschrank": "Dadurch entsteht auch eine gewissen Verunsicherung." Trotzdem rät er davon ab, den Energieausweis jetzt "zu verteufeln".

Weitere Infos auf www.vz-nrw.de/energieausweis

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