Haus der dementen Mutter darf nicht verkauft werden Generalvollmacht für Immobiliengeschäfte

BONN · Die alte Dame hatte es gut gemeint und eine handschriftliche Generalvollmacht verfasst. Ein folgenreicher Fehler: Ihre Tochter darf das Elternhaus nicht veräußern, um die Pflegekosten zu bestreiten.

 Eine Generalvollmacht allein reicht nicht für ein Immobiliengeschäft: Sie muss notariell hinterlegt sein. Sonst können die Kinder geschäftsunfähiger Senioren das Elternhaus nicht ohne weiteres veräußern – auch wenn sie das Geld für das Pflegeheim dringend brauchen.

Eine Generalvollmacht allein reicht nicht für ein Immobiliengeschäft: Sie muss notariell hinterlegt sein. Sonst können die Kinder geschäftsunfähiger Senioren das Elternhaus nicht ohne weiteres veräußern – auch wenn sie das Geld für das Pflegeheim dringend brauchen.

Foto: STOCK ADOBE

Das Ehepaar aus Bad Godesberg befindet sich seit dem Frühjahr wegen eines familiär notwendigen Immobilienverkaufes in einer misslichen Lage. Rat suchten die etwa 60-Jährigen, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen wollen, bei dem Bad Godesberger Makler Jan-Peter Sattler-Riegel. „Die Mutter der Ehefrau, die bislang allein in ihrem Haus im Bad Godesberger Villenviertel lebte, war nämlich schwerst dement geworden und ist nicht mehr geschäftsfähig“, erklärt er.

Die kranke Mutter musste daher in eine professionelle Pflegeeinrichtung umziehen. Doch um diese dauerhaft bezahlen zu können, muss die keineswegs betuchte Tochter das Haus der Mutter verkaufen. Das sollte der Makler übernehmen. Doch dem sind bis auf weiteres die Hände gebunden. Das Problem ist: „Die Tochter kann das Haus nicht verkaufen“, erklärt Sattler-Riegel, „weil rechtlich nicht entsprechend vorgesorgt wurde“.

Für das betroffene Ehepaar nimmt die äußerst missliche Situation nahezu existenzielle Ausmaße an, so Jan-Peter Sattler-Riegel, der Fälle dieser Art kennt: „Pro Jahr erleben wir das etwa zehn Mal.“ Rechtsexperten raten Immobilienbesitzern daher dringend, entsprechend vorzusorgen.

Der Fall des Godesberger Ehepaars zeigt Jan-Peter Sattler-Riegel exemplarisch, was die Krux ist. Die Mutter glaubte nämlich, für den Fall der Fälle gut vorgesorgt zu haben: „Die Tochter war im Besitz einer handschriftlichen Generalvollmacht, die aber nicht notariell hinterlegt war“, so der Makler. Ein Kardinalfehler, wie er sagt: „Um Immobiliengeschäfte im Namen des Eigentümers tätigen zu können, bedarf es einer notariellen Vollmacht.“

„Eine handschriftliche Generalvollmacht reicht für Immobiliengeschäfte nicht aus“, bestätigt der Bonner Notar Michael Uerlings, der auch Pressesprecher der Rheinischen Notarkammer ist: „Ein Immobiliengeschäft bekommt man beim Grundbuchamt nur vollzogen, wenn die Vollmacht dazu eine öffentliche Form hat“, sagt der Jurist. Eine Vollmacht müsse wenigstens hinsichtlich der Unterschrift öffentlich beglaubigt sein, damit sicher sei, „wer da unterschrieben hat“, stellt er klar: „Die öffentliche Form für die Vollmacht gibt es beim Notar, indem er die Unterschrift unter der Vollmacht notariell bestätigt“. „Notariell beglaubigen“, nenne man das. Die oberste Sicherheitsstufe der Notarform sei die notarielle „Beurkundung“: „Bei dieser steht der Notar auch für den Inhalt der unterschriebenen Urkunde gerade, nicht nur dafür, dass die Unterschrift die richtige ist“, führt Michael Uerlings aus.

Zur Frage, welche Anforderungen an eine Generalvollmacht zu stellen sind, sagt der Sprecher der Notarkammer: „Die Generalvollmacht ist das Gegenteil einer Einzelvollmacht, sie bevollmächtigt nicht zu einzelnen Rechtsgeschäften, sondern generell zu allen Maßnahmen, bei denen man sich vertreten lassen kann. Die Generalvollmacht ist quasi die Summe aller denkbaren Einzelvollmachten.“ Eine so umfassende Vollmacht solle daher nur jemanden erteilt werden, dem der Aussteller auch umfassend vertraue.

Was passiert, wenn keine Generalvollmacht notariell hinterlegt ist, erklärt Michael Uerlings so: „Niemand kann den Geschäftsunfähigen, der sich selbst nicht mehr helfen kann, automatisch vertreten, nicht der Ehegatte, nicht die Kinder.“ Darum müsse, wenn für einen geschäftsunfähigen Beteiligten keine Vorsorgevollmacht vorhanden sei, „ein gerichtlicher Betreuer bestellt werden“. „Das Gericht kann dann, wenn geeignet und auf Antrag, den Ehegatten oder eines der Kinder zum Betreuer bestellen“, so Uerlings weiter.

Ein solches Bestellungsverfahren nehme Zeit in Anspruch, gibt er zu bedenken. Daneben sei zur Abwicklung eines konkreten Immobiliengeschäfts auch die Genehmigung des Betreuungsgerichts für dieses Geschäft Voraussetzung. „Diese Genehmigung ist mit dem ganz erheblichem Verfahrens- und Zeitaufwand verbunden“, betont Michael Uerlings: „Das Betreuungsgericht hat dabei zu prüfen, ob das Zustandekommen des Vertrags dem Wohl des Betreuten entspricht, ob etwa der Kaufpreis angemessen und gutachterlich bestätigt ist.“

Darüber hinaus stellt das Gesetz zum Schutz des geschäftsunfähigen Beteiligten noch weitere Voraussetzungen für die „technische“ Abwicklung des Geschäfts auf, die Zeit benötigen. In der Praxis lässt sich feststellen, „dass eine notwendige Betreuung den Verkauf eines Objekts in der Regel um mindestens drei Monate verzögert“, erklärt Michael Uerlings: „Es muss nämlich nicht nur das Immobiliengeschäft als solches genehmigt werden, sondern auch eine für die Finanzierung des Kaufpreises meistens notwendige Grundpfandrechtsbestellung durch den Käufer.“

In der Tat begann auch für das betroffene Ehepaar aus Bad Godesberg im Frühjahr ein „Großkampf“, wie Makler Jan-Peter Sattler-Riegel schildert. Tatsächlich musste zunächst ein gerichtlicher Betreuer für die Abwicklung der Vermögensgeschäfte bestellt werden. „Und das kann dauern“, sagt Sattler-Riegel: „Die Betreuungsgerichte, die einen solchen Betreuer bestellen, sind in Bonn heillos überlastet.“

Bevor aber nicht ein solcher Betreuer bestellt und ein aufwendiger Verkaufsprozess mit der Einholung eines Wertgutachtens in Gang gekommen ist, kann Sattler-Riegel das Haus auch nicht anbieten. Das wiederum bedeutet für das Ehepaar, das seit rund fünf Monaten alle Unterhaltungskosten für die Immobilie tragen muss, weiter zu warten. Für beide eine sehr belastende Situation, weiß ihr Makler: „Die finanziellen Reserven des Ehepaars sind übersichtlich.“ Wann es in dem Fall weitergeht? Er kann nur schätzen: „Vielleicht in drei bis vier Monaten.“

Solche Fälle kennt auch Notar Uerlings zur Genüge: „Wenn eine General- und Vorsorgevollmacht in öffentlicher Form vorliegt, durch die der Betroffene effektiv vertreten werden kann, liegt keine Betreuungsbedürftigkeit vor.“ So können lange Wartezeiten und außerdem vermieden werden, dass eine fremde Personen allein über das eigene weitere Befinden entscheiden könne.

Ob Angst vor den Notarkosten möglicherweise eine Rolle dabei spielt, dass eine Generalvollmacht in vielen Fällen immer noch nicht notariell hinterlegt ist? Michael Uerlings kann das nicht feststellen. Er sagt: „Ein einziger Anwendungsfall der Vorsorgevollmacht spart die Kosten sicher wieder ein.“ Immerhin gebe es bislang weit über drei Millionen registrierter notarieller Vorsorgevollmachten.

Die Kosten einer beurkundeten Vorsorgevollmacht seien zudem moderat. „Sie richten sich vorrangig nach dem Vermögen des Vollmachtgebers“, erklärt der Bonner Fachmann: „Bei einem Vermögen von 100 000 Euro fallen für eine umfängliche Vollmacht rund 150 Euro plus Mehrwertsteuer an.“ Ein Vollmacht, die auch einen Hausverkauf ermögliche, würde bei einem Wert der Immobilie von 250 000 Euro rund 300 Euro ausmachen, rechnet Uerlings vor.

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