Comeback der Syphilis: "Manche sind relativ abgeklärt"

Berlin · Früher forderte Syphilis Menschenleben. Heute ist die Geschlechtskrankheit mit Penicillin gut zu bekämpfen - eigentlich. Doch die Infektionszahlen in Deutschland steigen.

 Moulagen zeigen das Krankheitsbild Syphilis. Sie liegen im Raum "Moulagen: Krankenheiten in Wachs" im Medizinhistorischen Museum Hamburg. Foto: Maja Hitij

Moulagen zeigen das Krankheitsbild Syphilis. Sie liegen im Raum "Moulagen: Krankenheiten in Wachs" im Medizinhistorischen Museum Hamburg. Foto: Maja Hitij

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Schon seit Jahren kündigt es sich an, und die neuen Zahlen bestätigen die Tendenz: Die Syphilis kommt zurück. Zuvor sah es lange Zeit so aus, als habe man die Geschlechtskrankheit in Deutschland gut im Griff. Doch 2012 zählte das Robert Koch-Institut in Berlin bundesweit insgesamt 4410 Syphilis-Fälle - zwei Jahre zuvor waren es noch 3027 gewesen. Vier von fünf Betroffenen sind Männer, die Sex mit Männern haben, aber auch bei Hetero-Männern und Frauen ist die Tendenz steigend.

"Die stärksten Anstiege haben wir in den Großstädten, aber eben nicht nur dort", sagt die RKI-Expertin Viviane Bremer. Denn: Ebenso wie der Aidserreger HIV werden Syphilis und andere Geschlechtskrankheiten zunehmend auch in kleineren Städten und ländlichen Gebieten zum Thema - das Internet ermöglicht schnelle Partnersuche auch außerhalb großstädtischer Szenen. "Im Web finden auch diejenigen leichter Sexualpartner, die in einer Kleinstadt oder nicht offen schwul leben."

93 Prozent der Neuerkrankten sind Männer. "Anders als bei HIV sind bei Syphilis die etwas Älteren, die 30- bis 39-Jährigen, am stärksten betroffen", sagt Armin Schafberger von der Deutschen Aidshilfe. Betrachte man sämtliche Erkrankungen, gebe es durchaus auch einen nicht geringen Anteil Männer, die schon zum zweiten oder dritten Mal die Diagnose Syphilis erhielten. "Viele von ihnen haben auch HIV, ... und nehmen Syphilis mit in Kauf", sagt Schafberger.

Auch Bremer glaubt: "Es gibt eine gewisse Kondommüdigkeit." Zudem könne Syphilis auch durch Oralsex übertragen werden - und nicht jeder nutze dabei ein Kondom. Doch dies kann fatal sein: Denn Syphilis-Bakterien schädigen die Schleimhaut, so dass HI-Viren leichter eindringen können. Gleichzeitig sind die Geschwüre und Hautläsionen, die eine Syphilis hervorruft, hoch ansteckend - und das nicht nur bei Sexualkontakten.

Und: Die Immunreaktion, die eine Syphilis auslöst, kann bei einem HIV-Träger zugleich auch die Vermehrung der Aidserreger ankurbeln. "Deshalb ist es wichtig, dass Syphilis-Infektionen frühzeitig erkannt und behandelt werden", betont Bremer. Denn die Krankheit ist heute leicht mit Antibiotika zu behandeln. Doch viele Betroffene wissen gar nicht, dass sie sich angesteckt haben. Und nicht überall sind Tests unkompliziert und kostenfrei möglich. Zwar kann man Syphilis ebenso wie HIV durch einen Bluttest nachweisen, aber das Angebot reicht in einigen Städten und Regionen nicht aus, weil Geld fehlt.

Auch die Deutsche Gesellschaft für sexuell übertragbare Krankheiten (DSTIG) sieht ein Comeback der Geschlechtskrankheiten. Hier dürfe man keine Scheindebatte über Prostitution führen, etwa über strengere Restriktionen für Sexarbeiterinnen, betonte DSTIG-Präsident Prof. Norbert Brockmeyer jüngst auf einer Fachtagung. Stattdessen gelte: "Wir müssen das Risikoverhalten betrachten." Erhöhte Ansteckungsraten gebe es vor allem bei jungen Erwachsenen in der sexuellen Findungsphase. "Hier müssen wir in Deutschland viel mehr Aufklärungsarbeit leisten."

"Kondome sind nach wie vor die einfachste und kostengünstigste Möglichkeit der Prävention", sagt RKI-Expertin Bremer. Kombiniere man diese mit vermehrten Tests und früherer Behandlung, werde die Zahl der Syphilis-Fälle wahrscheinlich wieder sinken.

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