Familie Volkshochschule in stylish: "School of Life" lehrt in Berlin

Berlin · Wie klarkommen in der Beziehung, im Job - und erst recht mit dem eigenen Ich? Die in London von einem Bestsellerautor begründete "School of Life" will es lehren. Jetzt hat die erste deutsche Filiale in Berlin eröffnet.

 Die Londoner "School of Life" ist jetzt auch in Berlin zu finden. Kursteilnehmer können hier etwa lernen, wie sie mit Konflikten umgehen oder bei der Partnerwahl vorgehen.

Die Londoner "School of Life" ist jetzt auch in Berlin zu finden. Kursteilnehmer können hier etwa lernen, wie sie mit Konflikten umgehen oder bei der Partnerwahl vorgehen.

Foto: Jörg Carstensen

In schlichten schwarzen Lettern steht der Schriftzug "Good Ideas for Everyday Life" (Gute Ideen für den Alltag) über dem Schaufenster. Wer einen dieser typischen Berliner Läden für Deko-Artikel erwartet, der irrt.

Zwar gingen hier bis vor kurzem noch T-Shirts über den Ladentisch. Inzwischen aber werden Produkte für "das gute, kluge Leben" angeboten - Bücher und Poster, aber auch Kurse. Im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg hat die erste deutsche Dependance der Londoner "School of Life" eröffnet.

Das Kursangebot liest sich in Teilen wie die Titel im Ratgeber-Regal: Wie gehe ich mit Konflikten um? Wie entwickle ich Selbstvertrauen? Wie bei der Partnerwahl vorgehen? Und in der Kurslinie "Studio Philosophie" lautet die Frage noch gewichtiger: Wer bin ich? Für je nach Kurs etwa 40 Euro scheint die Antwort erst einmal relativ erschwinglich.

Begründer der Schule ist der Autor Alain de Botton ("Wie Proust ihr Leben verändern kann"). In seinen Büchern überträgt er zum Beispiel philosophische Ideen allgemeinverständlich auf Alltagsfragen. Auch aus Kunst, Literatur und Psychologie wird Nützliches für das wahre Leben destilliert. De Botton eröffnete die erste "School of Life" 2008 in einem Laden in London, als bewusste Provokation des akademischen Betriebs, wie er sagte.

Inzwischen gibt es ein knappes Dutzend Ableger, unter anderem in Paris, Melbourne und Istanbul. Das Angebot auf der Insel ist aktuell umfangreicher als beim Berliner Pendant: Briten können etwa auch eine umfassende Karriereberatung in Anspruch nehmen oder in einem "Resilienz-Bootcamp" die Fähigkeit trainieren, mit Stress und Tiefschlägen umzugehen.

Die Berliner Geschäftsführer, Ex-Fernsehproduzent Thomas Biller und Kulturwissenschaftlerin Dörte Ilsabe Dennemann, haben neben bewährten Kursen auch eigene Seminare im Programm. Ein Teil wird für die zahlreichen Expats auf Englisch angeboten, andere wurden an die deutsche Denktradition angepasst.

Doch was ist anders an der "School of Life" als in populärwissenschaftlichen Vorträgen etwa an der Volkshochschule? Vor allem die Atmosphäre: Zum Kennenlernen gibt es Antipasti im durchdesignten Laden, bevor der Kurs hinter einem Vorhang im Hinterzimmer beginnt. Mit Wein soll der Abend ausklingen.

Vorher aber gilt: Hinsetzen und zurücklehnen ist nicht. Statt starrem Wissen bekommt man quasi die anderen Teilnehmer vorgesetzt. Im Kurs zu Kreativität sollen sie sich zum Beispiel anhand des Begriffs "Fuß" gemeinsam ein Festivalthema ausdenken und auch mal eine persönliche Anekdote erzählen. Nichts für Schüchterne.

Bisher seien die Teilnehmer "ganz gemischt", sie kämen aus Düsseldorf oder von einem Bauernhof in Brandenburg, berichten die Geschäftsführer. Die Standortwahl im Kiez am Helmholtzplatz dagegen sei Zufall, das ist ihnen wichtig zu betonen. Denn es ist die Gegend, in der das Klischee der schwäbischen Öko-Helikoptermütter ihren Ursprung nahm und in der man sich - angeblich - gerne mal zu Masern-Partys trifft. Von Esoterik distanzieren sich Biller und Dennemann aber ausdrücklich.

Für den Trendforscher Sven Gábor Jánszky sind es Zukunftskompetenzen, die die "School of Life" lehrt. Aktuell seien zwar viele der Selbstoptimierung in Arbeit und Privatleben überdrüssig. Relevant würden die emotionalen Fähigkeiten etwa ab dem Jahr 2050, wenn Computer intelligenter seien als Menschen und damit die rationalen Fähigkeiten an Bedeutung verlören.

"Wichtiger werden Bereiche, die wir heute so weglächeln: Andere motivieren, sie begleiten, sie zum Lachen bringen." Diese Fähigkeiten hält Jánszky tatsächlich für trainierbar. "Man wird dafür sehr viel Geld ausgeben", prognostiziert er für die fernere Zukunft.

"Das kommt gut an bei einem Publikum, dem die Überbetonung des Intellekts suspekt erscheint, der IQ zu kühl - und das überzeugt ist, mit viel Gefühl gesegnet, aber irgendwie zu kurz gekommen zu sein", schreibt dagegen der Diplom-Psychologe und Journalist Jens Bergmann über emotionale Intelligenz. In seinem Buch "Der Tanz ums Ich" hakt er dieses Konzept als Schaumschlägerei ab.

Psychologie und Techniken, die Transparenz zu Fragen des Verhaltens und Miteinanders verheißen, wertet Bergmann als "Religion unserer Zeit". Es scheint ein bisschen so, als hätte sich auch Alain de Botton als bekennender Atheist eine Ersatzreligion geschaffen.

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