Zwischenbilanz Lehrerverbände: Homeschooling läuft noch nicht reibungslos

Berlin · Seit einer Woche haben die meisten Schulen in Deutschland geschlossen. Wie kommen Lehrer und Schüler damit klar? Eine Zwischenbilanz.

 Eine Woche nach dem Beginn flächendeckender Schulschließungen in Deutschland zieht der Grundschulverband (GSV) eine positive Zwischenbilanz. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa-Zentralbild/dpa

Eine Woche nach dem Beginn flächendeckender Schulschließungen in Deutschland zieht der Grundschulverband (GSV) eine positive Zwischenbilanz. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa-Zentralbild/dpa

Foto: Klaus-Dietmar Gabbert

Es sind außergewöhnliche Zeiten für Millionen Schülerinnen und Schüler und Hunderttausende Lehrkräfte. Seit einer Woche heißt es improvisieren, damit der Schulbetrieb in Deutschland auch in der Corona-Krise nicht zum Erliegen kommt. Die erste Bilanz klingt positiv. Die Pädagogenverbände weisen aber auch auf Probleme hin, die das Fernlernen mit sich bringt.

Rumpelt noch - aber läuft

„An der einen oder anderen Stelle rumpelt es noch ein bisschen, aber im Großen und Ganzen ist die letzte Woche richtig gut gelaufen“, sagt die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) und rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) am Montag im Deutschlandfunk. Es sei beeindruckend, wie Lehrerinnen und Lehrer und Schülerinnen und Schüler in der ersten Woche der Schulschließungen mitgearbeitet hätten.

„Bis nach Ostern kriegen wir das hin“

Der Austausch zwischen Eltern, Lehrern und Schülern habe sich eingespielt, auch an Schulen, die digital nicht so gut ausgestattet seien, bilanziert Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes und selbst Leiter eines Gymnasiums im niederbayerischen Deggendorf. Probleme gebe es zum Teil mit der technischen Ausstattung zu Hause. In manchen Familien existiere kein Drucker, um Arbeitsblätter auszudrucken, manchmal auch nur ein Computer, den auch die Eltern selbst fürs Homeoffice bräuchten.

Eine besondere Herausforderung seien Schüler, deren Eltern nicht zu Hause seien oder die wegen fehlender Deutschkenntnisse nicht helfen könnten. „Da muss man aufpassen, dass die nicht abgehängt werden. (...) Bis nach Ostern kriegen wir das hin. Wenn Schulschließungen länger andauern, wird es ganz andere Notfallpläne brauchen.“

Mancherorts fast Aufbruchstimmung

Vielerorts hätten die Schließungen auch bei eher „digitalisierungskritischen Lehrkräften“ zu einer positiveren Bewertung der Möglichkeiten von Email, Videobotschaften oder Lernplattformen geführt, berichtet Andreas Fichtl, der stellvertretende Vorsitzende der Katholischen Erziehergemeinschaft (KEG). Es herrsche mancherorts sogar so etwas wie eine Aufbruchstimmung. Schulen und Lehrkräfte böten feste Telefonsprechstunden oder Klassenchats zu festen Zeiten an. Eingescannte und digitalisierte Arbeiten würden korrigiert. Die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler arbeite durchaus ernsthaft an den erteilten Aufträgen. „Dies hängt jedoch auch sehr stark von der jeweiligen familiären Situation ab.“

Lehrer fahren auch „analoge Lernpakete“ aus

An den rund 15.000 Grundschulen in Deutschland mit 2,8 Millionen Grundschülern wurden „Maßnahmen zum Abmildern der Folgen des Unterrichtsausfalls ohne größere Schwierigkeiten in die Wege geleitet“, sagt die Vorsitzende des Grundschulverbandes (GSV) Maresi Lassek. Viele Schülerinnen und Schüler hätten vor der Schließung Aufgabenpakete mitbekommen. Nachschub gibt es per Email an die Eltern. Lehrer würden auch „analoge Lernpakete“ ausfahren, wenn der Kontakt über Email nicht klappt. Die erste Woche sei überwiegend ruhig abgelaufen. Es gebe ein großes Engagement von Lehrkräften und Schulleitungen und Unterstützung von den Eltern. Der Grundschulverband äußert allerdings auch Befürchtungen, dass Unterschiede zwischen Kindern größer werden könnten, etwa wenn Eltern zum Beispiel nicht auf Emails der Lehrer reagierten.

Digitaler Unterricht funktioniert, aber ...

Der Bundesvorsitzende des Deutschen Realschullehrerverbands (VDR), Jürgen Böhm, zeigt sich „sehr zuversichtlich“. Die Schulen nutzten jetzt verschiedenste Plattformen, um mit den Schülerinnen und Schülern zu kommunizieren, diese mit Unterrichtsmaterial zu vorsorgen und sie umfassend auf die Realschulabschlussprüfungen vorzubereiten. Insgesamt funktioniere der digitale Unterricht sehr gut. „Allerdings zeigt und bestätigt sich jetzt in einzelnen Bundesländern, dass die Infrastruktur immer noch nicht richtig vorbereitet ist.“

„Passender Fernunterricht“ für Gymnasiasten

„In den Gymnasien klappt es - angesichts der schwierigen und unterschiedlichen Ausgangslage - relativ gut“, sagt die Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Susanne Lin-Klitzing. Die Mehrheit der Schulen sei zwar nicht ausreichend digitalisiert, aber die Lehrkräfte hätten sich, jeweils auf dem technischen Niveau, auf dem das möglich sei, „von jetzt auf gleich aufgemacht, passenden „Fernunterricht“ zu erteilen.“ Lin-Klitzing sprach von großer Dynamik, Kreativität und großem Engagement der Lehrkräfte.

Aufgaben werden oft per Email übermittelt. Vor allem höhere Klassen nutzen - dort wo die Infrastruktur vorhanden ist - aber auch Schul- oder Elternplattformen, auf denen kommuniziert wird, Dateien hochgeladen und Aufgaben verteilt werden.

Berufsschulen

Der Bundesverband der Lehrkräfte für Berufsbildung hatte schon vergangene Woche nach wenigen Tagen bilanziert: „Je nach Möglichkeit und technischer Ausstattung werden Lernpakete per Post versandt, Schülerinnen und Schüler per Mail versorgt oder der Unterricht auf Digitalplattformen verlegt.“ Die bundesweit 125.000 Berufsschullehrerinnen und Berufsschullehrer hätten es geschafft, mit Kreativität und Engagement quasi von jetzt auf gleich einen funktionierenden Fernunterricht auf die Beine zu stellen.

(dpa)
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