Familie Die Kinder der anderen: In die Erziehung einmischen?

München · Was tun, wenn fremde Kinder sich danebenbenehmen? Zurechtweisen? Oder lieber schweigen? Viele Eltern fühlen sich in solchen Situationen in der Zwickmühle. Erziehungsexperten zeigen Möglichkeiten auf, sich richtig zu verhalten.

 Zum Schreien: Wenn fremde Kinder ganz anders erzogen sind als die eigenen, sind Eltern oft in der Zwickmühle.

Zum Schreien: Wenn fremde Kinder ganz anders erzogen sind als die eigenen, sind Eltern oft in der Zwickmühle.

Foto:  Westend61/Forster & Martin

Auf dem Spielplatz bewirft ein Mädchen die anderen mit Sand, der Kindergartenfreund des Sohnes flucht in jedem zweiten Satz, zwei Nachbarskinder prügeln sich im Hof. Zu reagieren, wenn andere Kinder Mist machen oder sich schlecht benehmen, ist für viele Eltern eine Gratwanderung.

Einschreiten und zu verstehen geben, dass sich bestimmte Verhaltensweisen nicht gehören? Oder doch lieber schweigen, weil man umgekehrt auch nicht möchte, dass sich Fremde in die eigenen Erziehungskonzepte einmischen? "Der gesellschaftliche Konsens für die Verhaltensregeln im Umgang miteinander geht leider zunehmend verloren, und man kann nicht mehr darauf vertrauen, dass sich Erwachsene beim Umgang mit schwierigen kindlichen Verhaltensweisen einig sind", schildert Hermann Scheuerer-Englisch das Dilemma. Er ist Vorstandsmitglied der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung und Leiter der Erziehungsberatung der Katholischen Jugendfürsorge in Regensburg.

Wo die einen Eltern einen harmlosen Streit sehen, den die Kinder untereinander klären können, ist für andere bereits der Zeitpunkt zum Eingreifen gekommen. Das Bauchgefühl sei in solchen Situation gar kein schlechter Ratgeber, findet Alexandra Walther, Diplom-Pädagogin und Elterncoach aus München: "Denn ein Patentrezept gibt es nicht, weil jeder von anderen Erfahrungen geprägt wurde." Vor allem, wenn Aggressivität im Spiel ist, hält Erziehungsberater Scheuerer-Englisch das Einschreiten für gerechtfertigt.

Wichtig sei dabei ein klarer, sachlicher Tonfall: "Man sollte die Situation nicht dramatisieren, aber nach außen signalisieren, dass man körperlich aggressive Auseinandersetzungen in dieser Form nicht duldet", sagt der Erziehungsberater. Nicht immer geht es um aggressives Verhalten. Auch Kinder, die sich schlecht benehmen, können nerven, vor allem wenn sie zu Hause zu Gast sind. Auch dann stecken die Eltern in der Zwickmühle. "Wenn ich der Gastgeber bin, dann bestimme ich die Regeln, andererseits möchte ich, dass meine Gäste sich wohlfühlen", sagt Nandine Meyden, Benimmtrainerin aus Berlin und Buchautorin.

Soll ich das Gastkind darauf hinweisen, dass erst mit dem Essen angefangen wird, wenn alle etwas auf dem Teller haben? "Wenn mir eine bestimmte Regel wichtig ist, darf ich das Kind natürlich darauf hinweisen", sagt Meyden. Auch hier macht der Ton die Musik: "Das sollte freundlich und sachlich geschehen - ohne Bewertung. Denn das Kind kann ja nichts dafür, wenn es die Regeln nicht kennt." Anders ist die Situation auf neutralem Terrain, wenn beispielsweise im Restaurant die Kinder am Nachbartisch für große Unruhe sorgen.

"Dort würde ich mich zunächst an den Kellner oder den Restaurantleiter wenden und ihn bitten, eine Lösung zu finden", rät Nandine Meyden. Konfrontation sei der falsche Weg - denn was dem einen zu laut ist, kann für den anderen ein ganz normaler Geräuschpegel sein: "Es geht in solchen Situationen nicht darum, wer Recht hat", sagt sie: "Sondern darum, eine Lösung zu finden, die beiden Seiten gerecht wird."

Literatur:

Nandine Meyden: "Jedes Kind kann sich benehmen: So lernen Ihre Kleinen gute Umgangsformen", Humboldt Verlag, 12,95 Euro, ISBN-13: 978-3869106168

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